Murmillo-Archiv

Mittwoch, 14. Oktober 2015

OVIDIUS: AMORES I, 1: RISIT AMOR (PROGRAMMGEDICHT)

1.) OVID wollte ein Epos schreiben (oder vielmehr tut er so). Da lachte AMOR über ihn und stahl ihm vom zweiten Hexameter einen Takt.
2.) Nicht ganz ernst klagt er AMOR an (in Wirklichkeit ist er froh darüber):
"Rasender Knabe, wer gab dir Gewalt über meine Gesänge?" (Goldmann-Übers.).-Hinweis darauf, daß er im Dienste der Musen stehe und nicht in dem AMORS. Die Verkehrtheit dieser Situation wird durch fingierte und absurde Mythologiebeispiele dargestellt:
a) Es wäre so, als ob Venus der Minerva die Waffen entrisse,
b) als ob Ceres im Walde herrschte,
c) als ob Diana den Acker bestellte,
d) als ob man Apoll den Wurfspieß gäbe,
e) als ob Mars die Saiten schlüge.
Weitere Vorwürfe gegen AMOR: Du hast schon ein Reich.-Warum willst du das, was dir nicht gehört?
Oder ist es so, daß alles dein ist?-Willst du auch das friedliche Tempetal (Sinnbild ländlichen Friedens und bukolisch-idyllischer Dichtung).-Ist dem Apoll die Lyra nicht mehr sicher?-Mein Lied schwang sich im ersten Vers kraftvoll empor. Du hast im zweiten Vers die Sehnen (der Lyra?) geschwächt.-Woher den Stoff nehmen, der sich für solch ein leichtes Versmaß eignet?-Ich habe ja weder Knabe noch Freundin als Inspiration.-O., der "Knabenfreund" (!).-
3.) AMOR schießt nun einen Pfeil auf OVID und sagt: Hier hast du deinen Stoff.
4.) Die Pfeile des AMOR sind unfehlbar. Nun herrscht AMOR in OVIDS Brust. Die war einst leicht (!) und leer.- Nun steigt sein Gedicht in sechs Hebungen an und fällt dann in den Fünfertakt zurück (=ELEGISCHES DISTICHON).-Adieu, Krieg und Epos; die Muse möge mich bekränzen mit Myrte. Von nun an tönt mein "carmen" in 11 Takten.
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by decurio


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