"Jeder Zögling an einer höheren Lehranstalt hat in der 10. Klasse (so er sie denn erreicht) seinen CICERO zu lesen. Generationen von 'Schölern' sind mit Cicero-Reden erfolgreich 'gespankt' worden. Es hat ihnen nicht geschadet!
Auch wir erachten das strenge Konstruieren ciceroianischer Perioden als vorzügliches Zuchtmittel zur Beförderung des moralischen Wachstums des 'Schölers'."
DR. EGON PRÜGELMANN, Pädagoge und Rittmeister A. D., aus seinem Traktat "Zucht und Ordnung".
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Anfang 70 n. Chr. stellte MARCUS TULLIUS CICERO bei einem gewissen GLABRIO, einem Prätor, den Antrag auf Annahme der Anklage gegen VERRES. Ein solcher Antrag wurde "postulatio" genannt und war reine Formsache. Leider gab es ein Problem: Ein Mann namens CAECILIUS, der unter VERRES Quästor in Sizilien war, stellte den gleichen Antrag. Die ganze Sache war von VERRES inszeniert! CAECILIUS sollte die Rolle des Anklägers echt, aber schlecht spielen. Dann-so hoffte VERRES-würde er von dem Staranwalt HORTENSIUS leicht "aufs Kreuz gelegt werden".
Doch zunächst mußte in einer sog. DIVINATIO (Vorverfahren; eigentl. "Ahnung", weil sich der Richter von persönlichem Empfinden leiten ließ) entschieden werden, wer die Anklage führen durfte. CICERO hielt nun eine Rede, ebenfalls "DIVINATIO" genannt, und wurde als Ankläger zugelassen. Es folgte die NOMINIS DELATIO (Anklageerhebung) und die NOMINIS RECEPTIO (Aufnahme des Namens des VERRES ins Register durch den Prätor). VERRES befand sich nun im Zusatnd der Anklage. CICERO beantragte 110 Tage, um Beweismaterial zu sichten. Er erhielt alle Vollmachten. Ein Senator machte allerdings einen Störversuch. Dieser wollte den Statthalter von Makedonien anklagen und beantragte dafür nur 108 Tage mit dem Ziel, den Verres-Prozeß zu verschleppen. Unterdessen sammelte CICERO in Sizilien belastendes Material, wobei er von L. METELLUS, dem Nachfolger des VERRES, behindert wurde. Sommer 70 n: CICERO arbeitet in Rom das ganze Material durch und bereitet sich gleichzeitig auf die Magistratswahlen vor. CICERO bewarb sich nämlich um das Amt des "kurulischen Ädils". Versuche, CICERO zu bestechen und die Sizilier einzuschüchtern, mißlangen. Auch konnte man bei den Richtern durch Stimmenkauf keine Mehrheit bilden. Der Beginn des Prozesses wurde nun auf den 5. August angesetzt. Man glaubte, daß sich die Verhandlung wochenlang hinziehen werde (Verlesung unzähliger Urkunden, lange Erwiderungen des Verteidigers etc.) Ab dem 15. August waren auch noch wegen der Spiele Gerichtsferien. Eine zweite Verhandlung war erst im November möglich. Der Prozeß drohte sich bis über das Jahresende hinauszuziehen. Dann wäre VERRES gerettet gewesen!!! Acht Richter mußten nämlich im neuen Jahr ausscheiden und M. METELLUS, ein Verres-Kumpel, war für dieses Jahr zum Prätor gewählt! Darüber hinaus hatte er den Vorsitz in der REPETUNDENKAMMER. Ebenso bestand die Gefahr, daß käufliche Richter ausgelost würden. Des weiteren: HORTENSIUS und Q. METELLUS waren im Juli zu Konsuln gewählt worden. Sie konnten durch ihr Amt ihren Einfluß geltend machen, um VERRES zu helfen.
CICERO durchschaute all diese Machenschaften und hielt deswegen nur eine kurze Einleitungsrede, die ACTIO PRIMA oder ACTIO PRIOR.
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by Verres-appreciation-society
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