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Sonntag, 27. September 2015

OVIDIUS: AMORES I, 6: DRAUSSEN VOR DER TÜR

Das Gedicht ist ein sog. PARAKLAUSITHYRON. Freund OVID ist der "exclusus amator. Er bringt ein Ständchen (bei dem sicherlich die Milch sauer wird) und bittet um Einlaß.-Motiv der griech. Komödie.
(Quelle: Artemis-Ausgabe, adnotationes)
1.) Er bedauert den Torwächter (damals waren Türsteher angekettet!)
Aufforderung: Open the door!.
Versuch, den Wächter zu überrreden: Er wolle nur wenig. Der Wächter brauche nur einen Spalt aufzumachen. OVID sei ja sehr dünn, da er im Dienst des AMOR abgemagert sei. Außerdem sei er recht "biegsam".
Militärischer Vergleich: Er könne daher nachts durch Wachen und Posten schleichen. Sein Schritt sei kaum hörbar.
2.) Rückblende: Früher hatte er "fear of the dark".-Gelächter AMORS darob! Er solle warten, bis er ein Mann sei. Als nun OVID mit seinen Weibergeschichten anfing, verließ ihn diese Angst.
Nur den Türhüter fürchtet er noch.
3.) Erneute Bitte, die Tür zu öffnen. Hinweis auf seine Tränen (OVID versucht Mitleid zu erregen) und daß er ihm durch seine Fürsprache die Peitsche erspart habe!
Vorwurf der Undankbarkeit.-Erweist er sich aber als dankbar, dann geht sein Wunsch in Erfüllung.
Hinweis darauf, daß die Nacht schon fast vorbei ist (OVID "arbeitet" nur nachts.)
OVID fordert: Schiebe den Riegel zurück (repetitio; stereotyper Abschluß der folgenden Strophen).
4.) Genauso beginnt die nächste Strophe!-Er stellt ihm Belohnungen in Aussicht: Befreiung von der Kette; Wein!
Der Wächter bleibt hart.-Unüberwindlichkeit der Tür.-Militärischer Vergleich (Überredungsversuch): Im Krieg brauchen Städte Tore. Rhetor. Frage, ob er denn im Frieden Gewalt fürchte?-Weiteres Argument: Was tust du erst mit Feinden, "wenn du so den Liebenden ausschließt?" (Goldmann-Übersetzung).
5.) OVID kommt nicht in militärischer Absicht. Er ist ganz allein (nur in ihm rast Gott AMOR).-OVID kann nichts dagegen tun, auch wenn er wollte (Hinweis darauf, daß er nicht frei in seinem Tun ist oder dafür verantwortlich; (TRICK: Wenn der Wächter OVID abweist, dann macht er sich evtl. AMOR zum Feind!).
Die Unmöglichkeit, anders zu handeln: eher könnte er sich von seinem Leib trennen.
OVID macht sich nun über sich selbst lustig, um auf seine Harmlosigkeit hinzuweisen: Weinrausch, verrutschter Kranz (er kommt offenbar von einem Gelage); rhetor. Frage: Wer hat davor schon Angst?
"Ist das eine Waffe zum Fürchten?" (Goldmann-Übers.)
Das Motiv der schwindenden Nacht wird aufgegriffen. Mach endlich auf!
6.) Vorwurf, der Wächter sei "lentus" oder schläfrig (dann solle ihn der Schlaf verderben!).-Rückblende: Einst war er wach bis zur Mitte der Nacht.-Frage, ob er vielleicht seine Freundin bei sich habe?-Dann gehe es ihm besser als OVID. Dann würde er sogar seine Kette tragen.
Hinweis auf das Schwinden der Nacht.-Mach die Tür auf!
7.) Leiser Hoffnungsschimmer (Wendepunkt?): Geräusch der Türangel?-"Gab mir Antwort die Tür...?"
Fehlanzeige! (Desillusionierung)-Es war nur der Wind (dies zeigt, wie sich ein Liebender an jeden Strohhalm klammert).-Bild: der Wind trägt sein Hoffen davon.-Mytholog. Exkurs: BOREAS ("Dämon des stürmischen Nordwindes"; Artemis-Übers.), der Oritheia, eine Königstochter aus Athen entführt hat, solle die Tür "wecken".
Hintergrund: die Stille der Stadt.-
Hinweis auf das Schwinden der Nacht. Mach' auf!
8.) OVID hat jetzt endgültig genug und wird (gespielt) brachial: Er fordert (von BOREAS?) "Eisengerät", um die Tür aufzubrechen oder es solle am besten gleich die Tür abfackeln.
Wieder weist OVID die Verantwortung von sich: AMOR, Wein und Nacht sind schuld; diese raten keinem zur Mäßiggung.-OVID stellt zwei Thesen auf:
These (bzw. Argument)1: Die Nacht ist frei von Scham.
These (bzw. Argument): 2: BACCHUS und AMOR sind frei von Furcht.
OVID hat alles versucht (Drohen, Bitten) und scheint zu resignieren. Der Pförtner sei härter als die Tür!
Dieser sei unwürdig, "einer Frau die Schwelle zu hüten" (Goldmann-Übers.)
Das verdiene er nicht, sondern "Kerker und grausame Haft".-
9.) Die Nacht ist vorüber: Morgenstern, Nahen der Sonne, der Hahn, Sklaven, die arbeiten.
OVID will seinen Kranz auf die Schwelle legen-sozusagen als sein Stellvertreter. Zweck: CORINNA soll ihn finden und bereuen, daß die Zeit "so traurig" vertan wurde.
10.) OVID ist ein fairer Verlierer. Er grüßt zum Abschied den Türsteher. Dennoch; Dieser habe schändlich gehandelt, weil er Liebende trennte (Verstoß gegen AMOR).-Er verwünscht nochmals die Tür:
"Grausame Flügel der Tür
mit eurem gefühllosen Riegel,
ihr auch, des Sklaven Mit-
sklaven, ihr Pfosten aus Holz."
(Goldmann-Übers.)
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Liebe und Poesie unterliegen der grausamen Realität!
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by Hidalgo

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