Wenn du aber einen für einen Freund hältst, dem du nicht ebensoviel vertraust, wie dir, irrst du gewaltig und kennst nicht hinreichend die Kraft wahrer Freundschaft. Berate du aber alles mit einem Freund. Aber früher (denke) über ihn selbst (nach): nach der (geschlossenen) Freundschaft muß man vertrauen, vor der Freundschaft urteilen. Diese aber "vermischen" (verwechseln die Reihenfolge) in falscher Weise die "Pflichten", die gegen die (entgegen der) Vorschriften (Lehren) des Theophrast, wenn sie geliebt haben, urteilen, und nicht lieben, wenn sie geurteilt haben. Denke lange (darüber nach), ob dir jemand "zur Freundschft" aufzunehmen ist. Wenn es gefiel, daß es geschieht, "lasse" jenen mit ganzem Herzen zu (gib ihm Zugang zu dir); sprich mit jenem so "mutig" (offen) wie mit dir. Du freilich lebe so, daß du dir nichts anvertraust, wenn du es auch deinem Freund nicht anvertrauen könntest/ würdest (außer wenn...); aber weil gewisse Dinge vorkommen, die die Gewohnheit zu geheimen gemacht hat, "mische" ("vereinige",teile) mit dem Freund alle Sorgen, alle deine Gedanken. Wenn du ihn für treu "gehalten haben wirst" (hältst), wirst du ihn dazu machen; denn gewisse lehren zu täuschen (betrügen), während sie fürchten (ängstlich glauben), getäuscht zu werden. Was habe ich für einen Grund (warum sollte ich; "was ist es, warum"), warum ich irgendwelche Worte vor dem Freund zurückhalte (zurückhalten sollte)?
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by decurio
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