Murmillo-Archiv

Montag, 4. April 2016

OVIDIUS: HEROIDES 16, 39-88 (das Parisurteil)

39-50: Er wird von Amors Pfeilen aus der Ferne getroffen (Stärke seines Bogens!)=Wille des Schicksals (Rechtfertigung)-Rückblick 1: Traum seiner Mutter während ihrer Schwangerschaft: Sie bringe eine Fackel auf die Welt!-Deutung der Fackel als künftiger Brand Ilions (tragical foreshadowing-oder wie das auf "Neudeutsch" heißt)
51-71: Rückblick 2: Paris in bukolischer Landschaft (locus amoenus) am Berg Ida-seine Schönheit und Geisteskraft verriet seinen Adel (Eigenlob stinkt!)-Epiphanie des Merkur und dreier Göttinen im Schlepptau, angekündigt durch ein Beben des Bodens-die Göttinnen sind: Iuno, Pallas, Venus-Paris soll als Schiedsrichter über ihre Schönheit fungieren (davon versteht er wenigstens was)
73-88: er hätte gerne allen den Siegespreis gegeben (Unentschlossenheit), doch eine gefiel ihm schon damals besonders-Priorität der Venus-Angebot Iunos: Macht (hat er schon)-das der Pallas: Kriegsruhm (dafür ist er zu luschig)-er ist unsicher, ob er mächtig oder mannhaft sein wolle (ein echter Mann ist nie unsicher!)-das süße (überlegene) Lächeln der Venus-ihr Angebot: Helena!
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Die Wahl des Paris offenbart eigentlich alles über sein Wesen. Er ist 100 per cent der Liebe zugetan-oder wenigstens, was er darunter versteht-und nicht dem Ruhm.
EXKURS:
Paris ist eine Art Gegenbild (Antiheld) zum typischen trojanischen Helden wie Odysseus-ganz zu schweigen von Achill!-Diese (die "heroes") kämpften viel und wenn sie noch etwas Zeit hatten, liebten sie auch (so auf die Schnelle), z.B Achill seine Briseis. Odysseus dagegen  ließ seine Alte ganze 20 Jahre warten, was ganz schön lang ist. Er hatte es gar nicht eilig, nach Ithka zu kommen-unterwegs gab es ja so viele tolle Nymphen! Zu allem Elend wurde auch noch von der armen Penelope erwartet, daß sie keusch zu Hause sitze und Teppiche knüpfe, deren Fäden sie ja des Nachts, wie bekannt ist, wieder aufzog, um die blöden Freier zu verarschen.
Doch zurück zu Paris, dem unwürdigen Beau:
Ein trojanischer Held wäre nur ausgezogen, um Krieg zu führen. Paris hingegen fährt los in Sachen Liebe. Dies paßt allerdings gut zu Ovids Dictum "Militat omnis amans"=Jeder Liebende führt (leistet) Kriegsdienst.
Generell fällt auf, daß sich Ovid-wie es sich z. B. für einen echten Römer (nach altrömischer Art) gehören würde-wenig bis gar nicht von Paris distanziert und das Urteil dem Leser überläßt. Hier stellt sich mir nun die Frage: Wieviel Paris steckt in Ovid?-Hat Ovid gar Sympathie mit dem dekadenten Schönling?-Wenn ja, dürfte dies dem Kaiser Augustus wenig gefallen haben.
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decurio (Murmillo-Interpretations-Team e. V.)

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