Murmillo-Archiv

Sonntag, 31. August 2014

OVID: TRISTIA LIBER I, 63-84: VERGLEICH OVID-ODYSSEUS

ille habuit (jener hatte) fidamque manum sociosque fideles (eine treue Schar und treue Gefährten; Chiasmus!):
me profugum (mich Verbannten) comites deseruere mei (verließen meine Begleiter).
ille (jener) suam laetus patriam victorque petebat (kehrte fröhlich und als Sieger in seine Heimat zurück; petere=aufsuchen; streben nach; zu erreichen suchen):
a patria fugi (ich hingegen (ego) bin aus der Heimat geflohen) et exul ego (und auch noch als Verbannter).
nec mihi Dulichium domus est (auch ist mir nicht Dulichium Heimat) Ithaceve Samosve (oder Ithaka oder Samos),
poena quibus non est grandis abesse locis (von welchen Orten fern zu sein keine große Strafe ist):
sed (sondern; bezieht sich auf  "Roma") quae de septem totum circumspicit orbem
montibus (das von den sieben Hügeln den ganzen Erdkreis überblickt), inperii deumque locus (Rom, Sitz des Reichs; der Regierung und Ort der Götter; deum=deorum!).
illi corpus erat durum (jenem war ein abgehärteter Körper) patiensque laborum (fähig Mühen zu ertragen):
invalidae vires ingenuaeque mihi (schwache und "verzärtelte" (schwächliche) Kräfte (sind) mir; ingenuus=auch: edel!).
ille erat assidue (jener war ständig) saevis agitatus in armis (in schrecklichen Waffen "umhergetrieben" worden; im Krieg):
adsuetus studiis mollibus ipse fui (ich selbst dagegen bin an die verweichlichenden Studien gewöhnt gewesen; war gewohnt).
me deus oppressit (mich überwältigte ein Gott), nullo mala nostra levante (wobei keiner "unsere Übel" (Leiden) linderte; erleichterte; ohne daß einer...):
bellatrix illi diva ferebat opem (jenem brachte die kriegerische Göttin Hilfe).
cumque minor Iove sit (und obwohl er geringer (weniger mächtig) als Jupiter ist) tumidis qui regnat in undis (der in den schäumenden (tosenden) Wellen regiert),
illum Neptuni, me Iovis ira premit (bedrückte (verfolgte) jenen der Zorn Neptuns, mich der Jupiters).
adde (füge noch hinzu; hinzu kommt), quod illius pars maxima ficta laborum (daß der größte Teil der Leiden jenes erdichtet (sind)
ponitur in nostris fabula nulla malis (in unsere Leiden wird keine Fabel (Geschichte) "gelegt" (eingeflochten?))
denique quaesitos tetigit tamen ille Penates (schließlich "berührte"=erreichte er die gesuchten (begehrten; vermißten; ersehnten) Penaten (=sein Heim),
quaeque diu petiit (und die er lange zu erreichen suchte), contigit arva tamen (dennoch erreichte er die Gefilde; und dennoch erreichte er die Gefilde, die er lange suchte; im Lateinischen kommt oft der Nebensatz vor dem Hauptsatz; Prolepsis):
at mihi (doch von mir) perpetuo (dauerhaft) patria tellure carendum est (muß die väterliche Erde entbehrt werden),
ni fuerit (wenn nicht "gewesen sein wird"; sein wird; Fut. II; die Vollendung in der Zukunft wird hier gesehen) laesi mollior ira dei (der Zorn des verletzten Gottes (=Augustus) sanfter; milder).
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OVID stilisiert hier sein Unglück mit großem Pathos und vielleicht auch mit ein wenig Ironie. Der Dichter behauptet: Mein Unheil ist viel, viel größer als das des Odysseus. Ergo: Die Dichter müssen über mich schreiben!- Indem er sich mit Odysseus vergleicht, hebt er sein Schicksal in mythologische Sphären. Seine Irrfahrten sind größer als die des Odysseus. Odysseus hatte treue Gefährten (echte Kerle), OVIDS "Freunde" (alles "Flaschen") ließen ihn fallen wie eine heiße Kastanie.
Odysseus kehrt triumphal zurück (laetus, victor), OVID hingegen mußte flüchten. Die  Heimat des Odysseus ist Ithaka. Es ist keine besondere Strafe, diesem felsigen Eiland fern zu sein (vielleicht war Odysseus ja froh, mal rauszukommen). OVIDS Heimat ist aber Rom (urbs), das Zentrum der Welt. Und OVID ist ein urbaner Mensch! Also trifft ihn der Verlust der Heimat viel härter.
OVIDS Leiden stehen außerdem in umgekehrtem Verhältnis zu seinen geringen (vermutlich kaum vorhandenen) Kräften (ein Topos, im Falle OVIDS aber sicher zutreffend). Vermutlich konnte OVID nur den Schreibstift stemmen oder, hingetreckt auf eine Kline, das Weinglas halten, einen Henkel Trauben etc.. OVID war schließlich ein Kulturmensch, ein décadent, ein "poeta doctus" und kein bodybuilder. Ganz anders dagegen Odysseus. Der war ein harter Kriegsmann (ein echter fighter), geübt im Waffenhandwerk und konnte folglich einiges einstecken.- OVID hatte sich dummerweise mit Jupiter (Augustus?) angelegt, Odysseus nur mit Neptun. Obwohl der über größere Kräfte verfügte, hatte er weniger zu leiden.- Ungerechte Welt!-OVID stand niemand bei, während Odysseus göttlichen Beistand  (von Athene) erhielt.
Auch ist sein Schicksal real und nicht fiktiv wie bei Odysseus!
Schließlich kommt Odysseus wieder zuhause an, wohingegen OVID in die Vebannung geht (Ausgang: ungewiß). Ovid ist ein Verlorener, ein "profugus", ein "exul".
Ergebnis: OVID ist ein noch größerer Dulder als der Vieldulder Odysseus.
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(Spendenkonto der OVID-Stiftung...)


OVID: TRISTIA LIBER I, 51-62: GRENZENLOSES LEID-OVID VERGLEICHT SICH MIT ODYSSEUS!

pars etiam quaedam mecum moriatur oportet (es ist nötig, daß auch ein Teil mit mir stirbt),
meque velim possit dissimulante tegi (und ich möchte, daß es verhüllt werde, dadurch daß ich es verheimliche; ohne darüber zu sprechen; Ovid will ein Teil seiner Leiden mit ins Grab nehmen).
si vox infragilis ((auch) wenn die Stimme unzerbrechlich), pectus mihi firmius aere (die Brust mir fester als Erz (wäre)),
pluraque cum linguis pluribus ora forent (und (mir) mehr Münder mit mehr Zungen wären; sein würden):
non tamen idcirco complecterer (würde (könnte) ich daher dennoch nicht umfassen) omnia verbis (alles durch Worte),
materia vires exsuperante meas (wobei; da doch der Stoff meine (schwachen) Kräfte übersteigt).
pro duce Neritio (anstelle des Anführers von Neritios=Insel bei Ithaka; gemeint ist Odysseus (Ulixes)) docti mala nostra poetae
scribite (schreibt über meine Leiden, ihr gelehrten Dichter): Neritio nam mala plura tuli (denn ich habe mehr Übel erduldet (getragen) als der Mann aus Neritos=Odysseus).
ille (jener) brevi spatio (auf kurzem Raum) multis erravit in annis (irrte in vielen Jahren umher)
inter Dulichias Iliacasque domos (zwischen den "Häusern" von Dulichium (=Insel bei Ithaka) und den troischen (=Troja)):
nos (wir; Ovid meint sich) freta (Meere) sideribus totis distantia (durch ganze Sternbilder entfernt (seiend); die...entfernt sind; zwischen denen...liegen) mensos (durchmessend; bezogen auf "nos"; ich, der ich...durchmesse; von "metiri")
sors tulit (trug das Schicksal) in Geticos Sarmaticosque sinus (an die getischen und sarmatischen Strände (=Schwarzmeerküste); sinus=Meerbusen).
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Ex Latino in linguam Germanicam vertit
praefectus.

Dienstag, 26. August 2014

OVIDIUS: TRISTIA I, 5, 45-50: OVID JAMMERT IMMER WEITER UND DRÜCKT MÄCHTIG AUF DIE TRÄNENDRÜSE

scire meos casus siquis desiderat omnes (wenn irgendwer alle meine Schicksalsschläge zu wissen (erfahren) wünscht),
plus (mehr), quam quod fieri (als was zu geschehen) res sinit (die Sache zuläßt), ille petit (erbittet jener).
tot mala (so viele Übel) sum passus (habe ich erduldet), quot in aethere (wie viele im Aether) sidera lucent (Sterne leuchten)
parvaque quot (und wieviel kleine) siccus corpore pulvis habet ("Körper" der trockene Staub hat; wie viele Körnchen der Staub (das Feld; die Rennbahn; evtl. ein Weg; ein Strand etc. hat; vgl.: wie Sand am Meer):
multaque credibili tulimus maiora (und wir (Ovid meint sich!) haben viele Dinge ertragen, größer als glaubhaft; die größer als glaubhaft sind)) ratamque (und sicheren; gewissen)
quamvis acciderint (obgleich sie geschehen sind), non habitura fidem (Glauben künftig nicht habend; nicht haben werdend; kein festes Vertrauen findend; und die keinen Glauben finden werden, d.h. sie werden kein Vertauen einflößen; man wird Ovid kaum (bzw. kein Wort davon) glauben, was ihm zugestoßen ist).
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reri, reor, ratus sum=glauben
ratus=(part. pf. zu reor)=berechnet; bestimmt, sicher, gewiß; bestätigt, rechtskräftig, geltend, gültig.
rem ratam habere=bekräftigen
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tribunus

OVIDIUS: TRISTIUM LIBER I, 5, 25-34: DER DICHTER IN DER VERBANNUNG-OVID BEJAMMERT SEIN SCHICKSAL-DIE TREULOSIGKEIT DER FREUNDE

scilicet ut (wie nämlich) flavum spectatur in ignibus aurum (das rötlichgelbe Gold in den Flammen (im Feuer) geprüft wird)
tempore sic duro est (so ist in schwerer Zeit) inspicienda fides (die Treue zu erproben; muß erprobt werden).
dum iuvat (solange es hilft) et vultu ridet Fortuna sereno (und mit heiterer Miene das Schicksal lacht; einem zulächelt),
indelibatas cuncta secuntur (?) opes (folgen alle Dinge (alles) dem ungeschmälerten Reichtum nach);
at simul intonuit (doch sobald es gedonnert hat), fugiunt (fliehen sie) nec noscitur ulli (und er wird nicht mehr von irgendeinem gekannt; keiner kennt ihn mehr),
agminibus comitum qui (der mit Scharen der Begleiter) modo cinctus erat (eben noch umgeben war).
atque haec (und diese Dinge (dies), exemplis quondam collecta priorum (einst aus den Beispielen der Früheren geschlossen; derer, die früher gelebt haben),
nunc mihi sunt (sind nun von mir) propriis cognita vera malis (durch eigene Übel als wahr erkannt (worden); aus eigener leidvoller Erfahrung).
vix duo tresve (kaum zwei oder drei) mihi de tot superestis amici (Freunde "seid ihr mir übrig von so vielen"; sind mir noch von so vielen übrig; sind mir noch geblieben);
cetera Fortunae (die übrige war des Glückes), non mea turba fuit (nicht meine Schar; meine Gefolgschaft).-
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Ja, so kann es gehen. Weg ist die ganze "entourage". Oft kein großer Verlust. Letztendlich kann man sich nur auf sich selbst verlassen. Ein Wikinger verläßt sich nur auf sein Schwert, aber Ovid war kein Wikinger, sondern ein verzärtelter Schreiberling.
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Centurio

Donnerstag, 21. August 2014

LEBENSWEISHEIT

"When you work hard to do something right, you don't want to forget it."

T. Bundy

Sonntag, 17. August 2014

POSTREMUM SAXA LOQUUNTUR (7)

Die Gesamtaussage, so Kühn, ist etwa diese:
1.) "Da ist der immer wiederkehrende Gedanke, die Fruchtbarkeit zu gestalten, das Leben, das Fortzeugen, das unvergängliche Sein. Es erscheint im Zeichen der Welle..."
(Wasser=Leben)
2.) ewige "Erneuerung des unvergänglichen Lebens" (versinnbildlicht im Baum)
3.) "Das Leben ist stärker als der Tod..."
4.) Die Steine sprechen von "der Kette der Ahnen, die das Leben tragen, von der Reihe derer, die vor uns waren."- Sie sprechen aber auch "von den Lebenden, die das Leben weitergeben."
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Der Hügel von Saint Michel: 58 m Höhe, auf dem Hügel zunächst ein röm. Tempel, dann fränk. Kapelle zwecks Befreiung von den Dämonen; Totenstadt unter dem Hügel; 39 Steinbeile, Kette aus Callais-Perlen, 10 Anhänger aus Elfenbein, 13 kleinere Steinkisten um die Hauptkammer herum, Rinderknochen; wohl Totenstadt für einen Fürsten (mit Teil seiner Herde begraben):
"Dieser Fund ergibt deutlich, daß die Leute der Megalithkultur Nomaden, Viehzüchter waren, nicht Ackerbauern wie die Bandkeramiker."
weitere Gräber: Manio-Kermario, Mané Kérione, Kercado, Mané Er H'roek, Butten Er Hach, Rocher.
Die Gesamtaussage ist bei allen Gäbern ungefähr diesselbe.
"Die Steine sprechen von einer Welt der Viehzüchter, der Nomaden, es ist die MEGALITHKULTUR." (Zeit: 4000-1500 v. Chr., Verbreitungsgebiet: Küsten des Mittelmeeres und des Atlantiks). Ihre Kunst ist abstrakt und symbolhaft:
"Sie drückt in sichtbaren Gleichnissen aus, was diese Menschen bewegt, was sie zu ihrem Leben brauchen: die Fruchtbarkeit der Tiere, der Menschen, die Ewigkeit des Lebens."
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Zitate aus: H. Kühn: Wenn Steine reden.
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Septimum et postremum saxa locuta sunt.

WENN STEINE REDEN (6)

Weitere Fundstellen sind:
1.) Locmariaquer mit Table des Marchands (ein Dolmen bzw. Ganggrab): Gravierungen von gebogenen Linien (nach Le Rouzic Getreide), Kreis mit Strahlen (Sonne), ein Beil (Zeichen für Hackbau); Grabungen: 1811, 1887; Fund von gebogenem Draht aus Gold, Steinbeile und Steinwerkzeuge; 1905: Fund eines Tongefäßes, von Scherben und Steinbeilen; Zeit: späte Neusteinzeit, 2000-1800 v. Chr.
2.) der Dolmen Mané Lud: 80 m langes Grab, Höhe: 5 , ein Seitengang von 50 m, ein Raum mit Knochen angefüllt; weitere Funde: Tongefäße, Steinbeile, Knochen, Holz; Golddrähte (gerollt), Anhänger von Callais (Alaunphophat), aus Ägypten stammend (!), vermutlich auch die Golddrähte; Gravierungen von Schiffen ägyptischer Bauart (!) sowie Zeichen der Wolke, Dreiecke, Symbole der Fruchtbarkeit, Kreuze, Wellenlinien.
3.) Mané Rutual: Scherben, Tongefäße, Silexgeräte, röm. Statuetten, Steinbeile, Krummstabzeichen.
4.) Pierres Plates: 37 Tragsteine, 11 Decksteine, Idole, ähnlich denen in Gräbern Südspaniens (!), Kreise, Halbkreise, acht Punktkreise.
5.) Ile des Chevrès: das Ganggrab Gavr' inis: nach Kühn "eines der bedeutendsten Gräber des NEOLITHIKUMS mit Gravierungen" (!); in einem Hügel (Durchmesser 60 m), Gang: 12 m lang; führt zu einer Kammer; 28 Tragsteine.
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die Kammer mit den Knochen: geeignet als therapeutischer Aufenthaltsraum für böse Schüler.
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Sextum saxa locuta sunt.

PROF. HERBERT KÜHN: WENN STEINE REDEN (CUM SAXA LOQUUNTUR): TEIL 5

HERBERT KÜHN ist überzeugt, daß "Seefahrer, Priester und Kaufleute" in die Gegend von CARNAC kamen, die auf der Suche nach Zinn, Bernstein und Gold waren. Sie kamen aus dem Mittelmeergebiet (Palästina, Syrien, Arabien, Ägypten) und waren unterwegs "nach den dunklen Ländern des Nordens". In CARNAC war "der große Platz der Ruhe, der Erholung, der Platz des Dankes an die Gottheit". Dort trafen die Eroberer auf die Ureinwohner.
Auch im Alten Testament wird von Steinen sowie von den "Höhen" berichtet (1 Mose, 28, 18; 31, 45; 2 Mose 4; 1 Sam. 7, 12; 2 Sam. 18, 18; Josua 18, 17; Hosea 10, 1; 2 Mose 24, 4; Jos. 4,1; 2 Mose 20, 25; 5 Mose 27, 1). Die Steine des AT seien, so Kühn, "heilige, erhabene Zeichen der Beziehung zwischen Mensch und Gott". An anderer Stelle nennt Kühn die Steine "ein Dankopfer an Gott, ein Siegeszeichen, ein Zeugnis der Besitzergreifung, der Hilfe durch die Gottheit".
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Wer legt in unserer heutigen, nüchternen Zeit Steinen noch solche Bedeutung bei?
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Quintum saxa locuta sunt.

Freitag, 15. August 2014

DIE STEINE VON CARNAC: TEIL 4

Bei der Beschäftigung mit den Steinen von CARNAC ergibt sich zwangsläufig die Frage, wie weit die MEGALITHKULTUR verbreitet war? HERBERT KÜHN schreibt in seinem Buch "WENN STEINE REDEN": "die Ausbreitung der Megalithkultur, die Aufrichtung der großen Steine ist weit gespannt (Bretagne, England, Irland, Skandinavien, Norddeutschland, Frankreich, Spanien, Sardinien, Korsika, Süditalien, Nordafrika, Syrien, Palästina, Arabien).
Einige der Steine sind sehr hoch (bis zu 30 m) und sehr schwer (bis zu 1000 Zentner!). Wie wurden sie bewegt und wozu das Ganze?
HERBERT KÜHN vermutet, daß der Stein "der Sitz der Ahnen, der Väter" sei. Somit werde er "zum Träger, zum Erhalter, zum Bewahrer des Lebens".
"Es muß also eine Religion die Grundlage sein, die das ganze Mittelmeer umfaßt, die atlantische Küste, Palästina und Arabien." Diese Religion habe an das Fortleben der Toten geglaubt. Sie war eine Religion "von großer Kraft und Stärke".
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Steine von bis zu 1000 Zentner. So können z.B. die Decksteine der Ganggräber heute nur mit großen Maschinen bewegt werden. (Im Vergleich dazu meine Nachbarin, die nur 3 Zentner wiegt und schon kaum zu bewegen ist.)
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Saxa quartum locuta sunt.

DIE STEINSETZUNGEN VON CARNAC: WAS SPRECHEN DIE STEINE NOCH? (TEIL 3)

HERBERT KÜHN gibt schließlich diese Erklärungen für die Steine von CARNAC:
"Sind die Gräber doch die Male der Vorfahren. In ihnen lebt die Kette der Geschlechter fort."
Der Kirche waren solche Orte natürlich suspekt. So hielt z.B. der Geistliche MICHEL LE NOBLETZ (16. Jh.) die Steine für einen heidnischen Kult. Bei LE MÉNEC wurde sogar eigens ein Kloster angelegt, "um die Dämonen zu bannen" (ein frommes Werk!), aber auch wegen der Heiligkeit des Ortes. Weitere Maßnahmen gegen den Steinkult wurden auf verschiedenen Konzilen getroffen (Arles, 452, Tours, 567, Nantes 658, Toledo 681; viel Aufwand für ein paar Steine!). Es existiert sogar ein Edikt KARLS DES GROSSEN (Aachen, 789), das die Zerstörung der Steine anordnet.
(Anscheinend hatte man große Angst vor den Steinen!)
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Saxa tertium locuta sunt.

CARNAC: DIE STEINE REDEN WEITER (TEIL 2)

Es gibt Sagen, die den Ursprung der Alignements zu erklären versuchen: Einst war der PAPST CORNELIUS auf der Flucht und kam in die Gegend von CARNAC. Als ein Heer von Soldaten kam, um ihn gefangen zu nehmen, habe der Heilige die Soldaten in Steine verwandelt (also: sich nie mit einem Heiligen anlegen!). Doch die Soldaten bzw. die Steine sind nicht tot. Wenn es Mitternacht wird, werden die Steine lebendig. Dann summen und singen sie. Der Wanderer, der ihnen dann begegnet, fällt tot um! Soweit die Sage.
Wer waren aber in Wirklichkeit die Erbauer der Anlagen? Nach PROF. HERBERT KÜHN waren es die MEGALITHLEUTE, die als bewaffnete Eroberer und Händler in diese Gegend kamen.
Eine weitere Erklärung für die Steine gibt LE ROUZIC: Er hält, so Kühn, "die Alleen für religiöse Kultplätze für den Jahreslauf". Die CROMLECHS am Ende der Alleen sind "das Heiligtum, in dem die Priester das Opfer brachten". Nach LE ROUZIC seien die Steine von MÉNEC für die Sonnenwendfeiern angelegt worden, die von KERMARIO seien nach den Tag-und-Nachtgleichen im Frühling und Herbst ausgerichtet und schließlich die von KERLESCAN auf die Sonnenwende im Winter. Und LE ROUZIC weist darauf hin, daß die Kirche heute noch so die vier Phasen des Jahres feiert! Soweit LE ROUZIC.
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Saxa iterum locuta sunt.

"WENN STEINE REDEN": DIE GEHEIMNISVOLLEN STEINE VON CARNAC (BRETAGNE): TEIL 1

(nach Herbert Kühn, 1895-1980)
Bei dem kleinen Küstenort CARNAC in der Bretagne findet man Tausende von Steinen, die in Reihen angeordnet sind. HERBERT KÜHN, Professor der Vorgeschichte und Gelehrter alten Schlages, bezeichnet sie als "geheimnisvolle Wege, wohl Wege der Pilger, der Betenden". Die Steine sind nach Osten ausgerichtet in Richtung der aufgehenden Sonne. Es handelt sich dabei um 11 Steinreihen (10 m Abstand von Reihe zu Reihe; Höhe der Steine: bis zu 4 m, zur Mitte hin kleiner werdend; Länge der Steinreihen: 1167 m (bis Le Ménec). Prof. Kühn nennt den Eindruck "unvergeßlich, voll von Geheimnis". Daran anschließend, das Feld von KERMARIO (10 Reihen, Länge: 1120 m). Ein Menhir (ein einzelner Stein) markiert das nördliche Ende.
Nicht weit davon entfernt, die Steinreihen von KERLESCAN (12 Reihen, eine Querreihe, die die Reihen abschließt, daran anschließend ein sog. CROMLECH ((Steinhalbkreis), Umfang: 225 m; insgesamt 43 hohe Steine) und ein Ganggrab (Megalith-Grab).
Des weiteren: PETIT-MÉNEC (8 Steinreihen). Kühn nennt die Reihen "steingewordene Gedanken". Nirgendwo sonst in Europa findet man mehr Steinreihen, Steingräber und Steinkreise!
Welche Funktion hatten die Steinreihen? Darüber gibt es verschiedene Theorien: Prozessionswege für den Sonnenkult, Wege zur Opferung, Kultwege für die Bestattung der Anführer (die Steinreihen führen ja zu den Gräbern hin), Triumphwege.
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Saxa locuta sunt.


Montag, 11. August 2014

VERWANZT UND ZUGENÄHT: DIE RAUBWANZEN!

Panstrongylus geniculatus
 
Im vorhergehenden Bio-Artikel haben wir über Bettwanzen geschrieben.
Diese gehören zur Familie der Plattwanzen (Cimicidae) und zur Überfamilie der der Cimicoidea.
Es gibt aber noch eine andere problematische Wanzenfamilie, nämlich die Familie der Raubwanzen (Reduviidae). Sie gehören zur Familie der Reduvioidea. Mit denen wollen wir uns hier beschäftigen.

Die Raubwanzen leben gewöhnlich davon, dass sie andere Insekten oder sonstige Gliederfüßer überfallen und aussagen. Dazu können sie diese entweder direkt am Boden jagen oder ihnen auflauern, z. B. an einer Blüte.
Dabei ist zu beachten, dass Wanzen generell zu den Insektenarten gehören, die sich gerne auf Sträuchern oder am Boden aufhalten. Das heißt aber nicht, dass alle fluguntauglich wären. 


Für Menschen gefährlich sind aber einige Vertreter der Unterfamilie der Triatominae. Diese Raubwanzen greifen nicht nur andere Gliederfǘßer an, sondern haben sich auch auf das Anstechen von Vögeln und Säugetieren spezialisiert. Einige davon greifen auch den Menschen an.
Diese Gruppe ist aber v. a. in Süd- und Mittelamerika beheimatet, kommt aber auch in den südlichen USA vor. Es wird berichtet, dass sie in der Hippiezeit auch freilebende "Blumenkinder" angegriffen hätten (kein Witz!), darunter auch die Manson Family.  

Ein Angriff ist äußerst schmerzhaft, kann aber durch die betäubende Wirkung des Speichels im Schmerz verzögert sein. Normalerweise sind Wanzenangriffe nicht lebensgefährlich, allerdings können sie viele gefährliche Krankheiten übertragen, darunter die Chagas-Krankheit. Problematisch ist, dass der Patient sich im nachhinein den Wanzenkot in die Wunde hineinkratzen kann.
Für sehr kleine und geschwächte Kinder kann ein massenhafter Wanzenangriff sogar tödlich sein!


QUELLEN:

Wikipedia
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www.koleopterologie.de: Wanzen
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ZDF mediathek: Verrückte Natur (Wanzen ungefähr 39:30)



































Sonntag, 10. August 2014

DIE WESTGERMANEN: "ACKERNAHE BESCHEIDENHEIT"


Weiter lesen wir bei EMIL NACK, daß die WESTGERMANEN, anders als die Ostgermanen, ihrer Heimat treu blieben. Ihr Wohngebiet lag zwischen Nordsee und Mittelgebirgen (2. H. 1. JT. v. Chr.). Später breiteten sie sich bis in die Alpentäler aus. Gemäß TACITUS, "Germania" 2, zerfielen sie in drei große Kultverbände:
1.) INGÄVONEN (Nordsee)
2.) HERMINONEN (obere und mittlere Elbe)
3.) ISTÄVONEN (zwischen Rhein und Weser)
Die Westgermanen, so Nack, haben ihr Gebiet auf Kosten der Illyrer und Kelten erweitert.
ad 1) Ihr bedeutendstes Volk waren die SACHSEN. Diese fuhren zusammen mit den ANGELN nach Britannien und gründeten dort Reiche. Das Hauptheiligtum des Kultverbandes lag vermutlich in einem Hain auf einer Nordseeinsel. Dort wurde NERTHUS, eine Wachstumsgöttin, verehrt.
ad 2) Sie lebten, so Nack, "im Innern Deutschlands zuerst in ackernaher Bescheidenheit ziemlich unbeachtet". Sie erfüllten "den schicksalhaften Auftrag, das Vorfeld der Alpen mit Alemannen und Bayern zu kolonisieren und die alemannische Vorhut am tiefsten in die Alpentäler hinein gegen den romanischen Süden vorzuführen." Mächtigster Stamm: die SUEBEN  (zwischen Elbe und Oder); gemeinsames Heiligtum: in einem Hain des Kriegsgottes ZIU; auch die CHERUSKER sowie die CHATTEN gehörten zu diesem Kultverband.
ad 3) Aus ihnen entstanden später die FRANKEN (3. Jh. n.). Ihr Heiligtum wurde von den MARSEN verwaltet (Hauptgottheit: Tanfana).
(Die Marsen: Es handelt sich hierbei (natürlich) um einen Germanenstamm zwischen oberer Ruhr und oberer Lippe und nicht um Marsmenschen!)
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EMIL NACK, GERMANIEN, S. 53 f.

DIE OSTGERMANEN: VERLUST DER "VÄTERSCHOLLE"-"DRÄNGENDE SEHNSUCHT NACH DER FERNE"-"UNHEILVOLLE VERWICKLUNGEN"

Bei EMIL NACK lesen wir, daß die OSTGERMANEN von 800 v. bis 500 n. Chr. das Weichselland besetzt hielten. Ihr größter Stamm waren die GOTEN. Diese kamen gemäß ihrer Stammessage aus Südskandinavien (vgl. Götaland). Von dort seien sie an die Bernsteinküste gekommen.
"Gedeckt durch ihren schirmenden Schutz gegen Einfälle von Asien her, konnten ihre westlichen Brüder sich ungestört entwickeln und ihre welthistorischen Angriffe gegen Kelten und Römer vorbereiten." (Recht so!)
Sie seien, so Nack, "beweglichen und lebhaften Geistes gewesen". Im 2. Jh. nach hätten sie "nicht aus Landnot, sondern aus Ruhmsucht und Herrschgier" ihre "Heimatscholle" verlassen und seien nach Ost-und Südeuropa gezogen. Dabei gerieten sie "in unheilvolle Verwicklungen mit den Hunnen". Am Mittelmeer "errichteten" sie "mächtige Reiche", allerdings "von beschränkter Dauer". Sie "erloschen endlich unter der sengenden südlichen Sonne." Also ein Flop auf der ganzen Linie!
Die ostgermanische Sprache ist verloren. Nur das Gotische ist uns durch die Bibelübersetzung des Bischofs WULFILA erhalten.
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EMIL NACK: GERMANIEN; Länder und Völker der Germanen, Verl. Ueberreuter, 1958, 1977, Wien, Heidelberg, S. 52.

Freitag, 8. August 2014

VIEL WICHTIGER: WER BEHÄLT DEN ÜBERBLICK?

Auf dem Nachbarblog "Novatlan" entsteht gerade neben einer historischen Bilddatei eine Personendatei, die nach dem Aufbau schrittweise auf die anderen Blogs im Netzwerk übertragen werden soll.

Personen-Pool

WER WAR PROFESSOR HERBERT KÜHN?

HERBERT KÜHN (geb. 29. 4. 1895 in Beelitz bei Potsdam) war ein Professor für Vorgeschichte bzw. für prähistorische Archäologie. 1923: Habilitation an der Universität Köln; 1929 a. o. Professor, 1946 ordentlicher Professor an der Johannes-Gutenberg-Universität in Köln; zwei Rufe an amerikanische Universitäten.
Prof. Kühn schrieb viele interessante wie auch fundierte Bücher über Frühgeschichte:
1.) Die Malerei der Eiszeit
2.) Die Kunst der Primitiven
3.) Kunst und Kultur der Vorzeit
4.) Buschmannkunst
5.) Vorgeschichtliche Kunst Deutschlands
6.) Die germanischen Bügelfibeln der Völkerwanderungszeit in der Rheinprovinz
7.) Tat und Versenkung
8.) Gegenwart und Vorzeit
9.) Vom Sinn der Vorgeschichte
10.) Auf den Spuren des Eiszeitmenschen
11.) Das Problem des Urmonotheismus
12.) Die Felsbilder Europas
13.) Die Kunst Alteuropas
14.) Das Erwachen der Menschheit
15.) Der Aufstieg der Menschheit
16.) Die Entfaltung der Menschheit
17.) Eiszeitmalerei
18.) Abstrakte Kunst der Vorzeit
19.) Germanische Kunst der Völkerwanderungszeit
20.) Persönlichkeit und Gemeinschaft
21.) Das Antlitz Indiens
22.) Vorgeschichte der Menschheit
23.) Eiszeitkunst
24.) Die germanischen Bügelfibeln der Völkerwanderunsgzeit in Süddeutschland
25.) Erwachen und Aufstieg der Menschheit
26.) Herausgeber: IPEK, Jahrbuch für prähistorische und ethnographische Kunst
(Bibliographie aus "Wenn Steine reden".)
Die Bücher von Prof. Kühn sind grundgelehrte Werke und gleichzeitig ein veritabler Lesegenuß!
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WENN STEINE REDEN: FUENCALIENTE (2)

Wie wir bereits erwähnt haben, stammen die Felsbilder von Fuencaliente aus der Zeit zwischen 4000 und 2000 v. Chr. Wie konnte sich die Farbe so lange Zeit halten? HERBERT KÜHN gibt darauf folgende Antwort: Erstens gab es an manchen Stellen Überhänge, so daß die Bilder vor der Witterung geschützt sind. Dennoch gibt es genug freie Stellen. Zweitens geht die Farbe mehrere Millimeter ins Gestein hinein und hat sich mit ihm verbunden.
Der Fries hat eine Gesamtlänge von 21, 6 m. KÜHN schreibt:
"Es gibt nichts Wirkliches, nichts Reales-es ist eine Welt der Vorstellung, der Begriffe, der Ideen. Innerhalb der Kunst der Vorzeit Europas kann das nur eine spätere Epoche sein. Die Abstraktion ist immer später als das Reale, in der Sprache, im Denken ebenso wie in der Kunst."
Hauptsächlich sind es Gestalten der Menschen, es gibt nur drei Tiere:
"Auch die Tierbilder sind abkürzend, verändernd, blockhaft, aber sie treten zurück. In der Kunst der Eiszeit herrschten sie vor, in dieser Kunst des Neolithikums sind sie kaum noch vorhanden."
Und weiter heißt es:
"Es ist nicht mehr die Welt der Jäger, es ist die Welt der Ackerbauer."
Die Menschen dieser Zeit versammelten sich auf den Höhen, sie stiegen nicht mehr hinab in die Höhlen. Der Grund war dieser:
"Der Mensch jener Zeit steht vor der Frage der Existenz, vor der Frage von Geburt und Tod. Seine eigenen Kräfte reichen nicht aus, das Dasein zu bewältigen, also braucht er die Hilfe er Gottheit."
Die Bilder sind Gebete um Fruchtbarkeit.
Weiterhin dargestellt sind: 4 Bäume; Regenwolke (waagrechter Strich mit senkrechten Linien); Kreise mit Strichen nach außen (Hütten mit Menschen?).
"Doch die Gestalten der Menschen sind klar zu erkennen, aber es sind Gestalten in Symbolen, in Zeichen, in einer Art Schrift." (vgl. auch die frühesten Hieroglyphen; das Zeichen "ti"=Mensch in der frühesten chinesischen Schrift).
Manche Gestalten tragen Kopfschmuck (Häuptlinge; Priester). Männliche und weibliche Gestalten stehen oft nebeneinander; Breuil deutete dies als Indiz für die Einehe!
Über die Zeichen äußert sich Kühn wie folgt:
"Aber diese Zeichen sind die Ursprache der Menschheit, die Urschrift des Geistes, sie sind die Ursymbole von Leben und Tod, von Sein und Nichtsein."
Die Menschen jener Zeit standen , so Kühn, ehrfürchtig vor diesen Bildern, die sie als etwas Heiliges ansahen. Über die Priester lesen wir:
"...sie malten sie flehten, sie sangen, sie beschworen, sie tanzten. Es ging um Fruchtbarkeit in trockenen Jahren, es ging um das Leben, um das Bestehen, um das Sein.
Mit diesen Bildern sprachen sie zu der Gottheit..."
Kühn gibt eine zweite Deutung der Kreise mit den Strichen: Familien bzw. "Gruppen, die zusammen leben".
Und der Professor schwärmt:
"...wir fühlen uns nahe den Urgedanken der Menschheit."
Und schwärmt weiter am Schluß des Kapitels:
"Und wir empfinden ganz das In-sich-Vollendete dieser Kunst, die das Ganze aussagt in der Zusammenfassung. Der Mensch ist immer vollendet in seiner Hinwendung zum Urgrund aller Dinge, zur Wurzel des Seins." (Herbert Kühn)
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Also: immer schön den Urgrund suchen!
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by centurio



Mittwoch, 6. August 2014

"WENN STEINE REDEN": DIE FELSBILDER VON FUENCALIENTE (SÜDSPANIEN)

Über die Felsbilder von FUENCALIENTE existiert ein Aufsatz von ABBÉ BREUIL. Man erzählt, daß es dort gefährlich sei und schlimme Dinge in der Nacht geschehen würden. Dort sollen nämlich, so sagt man, die Geister der alten Goten mit den Arabern kämpfen. Die Bilder seien Figuren der Geister, der "demonios"! Schon in früheren Zeiten hätten die Leute den Ort gemieden.
Die Bilder befinden sich auf zwei großen Blöcken. Es handelt es sich dabei um "stilisierte, imaginative Gestalten von Menschen, von Dämonen, von Geistern, von unwirklichen Wesen." (Herbert Kühn). Die Felsbilder sind "ganz abstrakt, losgelöst von aller Wirklichkeit", "Sinnbilder des Menschen, Symbole, Zeichen, Chiffren, Ideen, schriftartige Formen." Sie ähneln plastischen Idolen des NEOLITHIKUMS, also der Zeit von 4000-2000 v. Chr. Wir befinden uns also in der Zeit des Ackerbaus. Die Bilder sind als Gebete  um Fruchtbarkeit zu verstehen. Und die Fruchtbarkeit ist selbst, so Kühn, ein abstrakte Idee.
HERBERT KÜHN schreibt:
"Diese Zeit lebt im Abstrakten, im Gedachten, im Symbol, in der Idee. So ist es die Idee Mensch, die gestaltet wird, die Idee des Verstandes, des Geistes." Der Mensch ist abstrakt dargestellt, er wird "ein Zeichen der Schrift, genauso wie in den ältesten Hieroglyphen Ägyptens, genauso wie in den ältesten Schriftzeichen Chinas für den Begriff Mensch."
Und Kühn fährt fort: ""Es finden sich Winkelmuster für das Wasser, so wichtig für den Ackerbau, und kammartige Zeichen: die Wolke, aus der es regnet."
1783 schnitt LÒPEZ DE CÁRDENAS, Pfarrer von Montero, ein Stück der Bilder heraus. Der Geistliche verfaßte außerdem einen Bericht über die Felsbilder. MANUEL DE GÓNGORA MARTÍNEZ verwendete diesen Bericht für sein Buch über die prähistorischen Altertümer von Andalusien (1868).
Wie kommt es, daß sich ein Pfarrer anno 1780 um Felsbilder kümmerte? Kühn erklärt dies so: Es ist immer an solchen Orten bekannt, daß es Stätten des Kultes sind. Oft wirken dort Hexen Liebes-und Rachezauber. Die Leute, die daran teilnehmen, gehen später zur Beichte. Dadurch wird das wissenschaftliche Interesse des Pfarrers geweckt.
1910 berichtete VINCENTE PAREDES dem ABBÉ BREUIL, daß der Dichter LOPE DE VEGA (1562-1635) Felsbilder erwähnt, die bei dem Ort LAS BATUECAS bei SALAMANCA zu finden seien. Die Bilder "stammen aus alten, vergessenen Zeiten, aus Zeiten, als noch stärkere und größere Tiere in dem Tale lebten als jetzt." Sie haben die Kraft zu schaden. Die Bilder stellen Dämonen dar, böse Geister leben in ihnen. Daher wurde, um diese zu bannen, ein Kloster gebaut (Celberca, 1599). 1697 warnt ein Pater vor den Dämonen und davor, ihnen zu nahe zu kommen. Diese sind nämlich, so der Mann Gottes, Nachfahren der alten Goten, die hier vor den Arabern Zuflucht gesucht haben. Dort wurde angeblich auch ein Satanskult ausgeübt! Daher muß man den Ort tunlichst meiden (off limits!).
Wie man sieht, gibt es an beiden Orten, sowohl in Fuencaliente als auch in Las Batuecas exakt die gleichen Legenden! Paredes hat übrigens Breuil auch auf Fuencaliente hingewiesen sowie auf das Buch von Góngora.
"Es sind also alte Berichte, die zu der Entdeckung führten, aber es ist so wie immer beim Auftauchen neuer Gedanken, neuer Tatsachen, sie müssen auf den Menschen stoßen, der sie zu verwerten weiß".
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HERBERT KÜHN: WENN STEINE REDEN

Freitag, 1. August 2014

DIE BETTWANZE (BED BUG), LAT. CIMEX LECTULARIUS


Bettwanzen galten früher neben Läusen, Flöhen und Zecken als Ekto-Parasiten (von außen angreifende P.) par excellence. Doch mit der Zeit gerieten sie bei jüngeren Mitbürgern in Vergessenheit und man kannte sie höchstens noch aus alten Büchern oder von Erzählungen der Großeltern.

Aber Vorsicht: Seit kurzem holen Cimex lectularius & Co. wieder zum Schlag aus!

VIDEO >> Bettwanzen-Alarm: Die Rückkehr der kleinen Blutsauger



CIMEX LECTULARIUS IN DER FAMILIE DER CIMICIDAE


Die Bettwanze (lat. Cimex lectularius, engl. Bed Bug) gehört zur Familie der Plattwanzen (Cimicidae), die manchmal ihrerseits ungenau als Bettwanzen bezeichnet werden. Sie ist darauf spezialisiert, bei den Schlafplätzen von gleichwarmen (homoiothermen) Lebewesen  wie dem Menschen zu leben und sich von deren Blut zu ernähren. Bettwanzen sind Parasiten und Zivilisationsfolger.
Die Familie der Cimicidae hat auch andere unangenehme Zeitgenossen hervorgebracht wie die Fledermauswanze (Leptocimex boueti/Cimex adjunctus), die auf Englisch Bat Bug genannt wird. Im Deutschen wird oft der lateinische Name bevorzugt. Der Cimex adjunctus saugt gerne an Fledermäusen, verschmäht aber auch Menschen nicht. Sie sieht so ähnlich wie die Bettwanze aus und kommt z. B. in warmen Gegenden wie Afrika vor, manchmal aber auch in den USA und Schottland.

Zurück zur Bettwanze: Die erwachsenen Tiere sind um die 5 mm lang (deutliche Unterschiede) und sehr dünn. Die Farbe ist beigebraun und nach der Blutnahrung dunkel rotbraun. Das Tier ist bis zur Mahlzeit sehr dünn bzw. flach ("platt").
Die Vorderflügel sind zu kleinen Schuppen zurückgebildet, die Hinterflügel fehlen ganz. Das Tier weist eine gewisse Behaarung auf.
Bettwanzen besitzen kleine Facettenaugen (siehe Abbildung), aber keine Punktaugen (Ocellen). Bei nicht flugfähigen Insekten fehlen diese sowieso oft.

Die Bettwanze ist nahezu ein Kosmopolit. Sie kommt aber nur bedingt in kühlen und hohen Lagen vor. Das heißt aber nicht, dass die Wanze nicht für eine gewisse Zeit Kälte oder Nahrungsmangel ertragen könnte.
Die Bettwanze sucht meistens den Menschen auf, aber auch ihn umgebende Haustiere sowie Vögel und Fledermäuse. Es wird angenommen, dass sie aus Zentralasien stammend über höhlenbewohnende Vögel oder Fledermäuse auf den Menschen übertragen wurde. Dann nistete sich die Bettwanze in Kleinasien und Südeuropa ein, wo sie Einzug in die dortigen Sprachen fand.
Bsp. Latein (Georges): cīmex, micis, m. (zu altind. yāma-ḥ, schwarz(grau) 
Fundstellen: Liv. Andr. com. 1; Catull. 32, 2; Varr. r. r. 1, 2, 25; Petr. 98, 1; Mart. 11, 32, 1; Hor. sat. 1, 10, 78.
Der Begriff wurde auch als Schimpfwort verwendet, besonders bei Horaz (Satiren): 
Men' moveat cimex Pantilius?         - Mich kränkte die Wanze Pantilius?


In Nordeuropa war es ihr lange zu kalt und nicht wohnlich genug. Erst in der frühen Neuzeit mit besserer Behausung marschierte sie hier wacker voran.
Als Überträger der Wanzen gelten Flugtiere, sie können sich aber auch selbst bewegen oder werden in Möbelstücken und mit sonstigem Hausrat verschleppt. 

Bettwanzen sind nachtaktive Blutsauger, die wohl auf Kohlendioxid und Geruch des Wirtes reagieren. Die Nahrungsaufnahme dauert mehrere Minuten.
Mit Hilfe eigener Geruchsstoffe können die Wanzen sich auch untereinander verständigen, also anlocken oder bei Gefahr vertreiben.
Nach ihrer Blutmahlzeit verstecken sie sich wieder in Holzritzen o. ä., wo sie auch ihre Eier ablegen. Viele Wanzen kommen in Matratzen oder Bettgestellen vor.


GEFAHRENSZENARIO UND ABWEHR

Die Wanzen verursachen nicht nur Juckreiz und Blutverlust. Sie können auch viele gefährliche Krankheiten in sich tragen. In wie weit sie diese auch auf den Menschen übertragen können, ist noch nicht ganz erforscht. Bei Hepatitis gilt das aber als wahrscheinlich.   
Gefunden wurden in Wanzen die Erreger von Hepatitis (verschiedene Varianten), AIDS/HIV, Q-Fieber und anderen Krankheiten.

Bettwanzen müssen daher unnachgiebig bekämpft und rücksichtslos ausgerottet werden. Das ist besonders deshalb wichtig, weil sich ihre Populationen wieder erholen. Gründe dafür sind internationaler Tourismus, Resistenzenbildung, zu weiche Schädlingsbekämpfung ("Verluschung") und neue Armut.
Vorbeugend kann man also seine Reisetätigkeit einschränken und versuchen, auch die Mobilität der Möbel einzuschränken! Nachsorgend muss die chemische Keule her, ggf. in Kombination mit einer Wärmeentwesung.

Früher griff man bei der Wanzenbekämpfung zum Mittel der Vergasung oder sonstigen chemischen Ausrottung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden so große Erfolge in der Wanzenbekämpfung erzielt, z. B. mit DDT. Allerdings ging man dabei mit Mensch und Natur nicht gerade zimperlich  vor.
Inzwischen ist man bei der Bekämpfung von Schadinsekten vorsichtiger geworden, was zwar Mensch und Haustiere schont, aber auch mit zum "Revival" der Bettwanze geführt hat. Außerdem haben sich Resistenzen gebildet, so dass manche Stämme schon das > 100fache der ursprünglich letalen Giftdosis aushalten! 
Ein Beispiel für eine Schwächung der Bekämpfung: Seitdem man Kakerlaken nicht mehr vergast, sondern nur noch mit Giftködern bekämpft, kann sich die Bettwanze wieder fleißiger vermehren, weil bei ihr die Köder nicht so wirken.
Es gibt aber noch weitere Gründe für die Erholung der Wanzenpopulationen - oben haben wir einige aufgezählt - so dass inzwischen Weltstädte wie New York wieder in Wanzenangst leben müssen!

Neben dem Vergiften kommt auch bzw. wieder die Wärmeentwesung in Betracht, bei der die Bettwanzen durch eine für 1,5 Tage auf 55°C erhöhte Zimmertemperatur vernichtet werden.
Ein traditioneller Trick zum Schutz der Betten ist ihre Einrahmung mit Bohnenblättern ("Balkan-Trick"). Diese verfügen über feine Härchen und Stacheln, in denen sich die Wanzen verheddern und sterben. Zur Zeit versucht man, diese "Wanzenstopper" synthetisch nachzubauen.


QUELLEN:

Wikipedia
Eigene Untersuchungen
(Karl Ernst) Georges. Ausführliches Handwörterbuch (Lateinisch - Deutsch)
Claudia Imfeld: Wanzen auf dem Vormarsch; in: Tages-Anzeiger, 22.05.2010
Claudia Fromme: Wanzen, der Feind in meinem Bett; in: SZ, 25.02.2007