DAS GERMANISCHE: NACH EMIL NACK: GERMANIEN
Das GERMANISCHE hat sich bis spätestens 500 v. Chr. aus dem INDOGERMANISCHEN ausgegliedert.
Es unterscheidet sich von diesem vor allem durch drei wesentliche Kriteria:
1.) Veränderung der indogermanischen Verschlußlaute ("Umbildung im Konsonantismus; E. Nack)
2.) Verlegung des freien Akzents auf die Stammsilbe ("Festlegung des Worttons"; E. Nack)
3.) weniger Formen
ad 1): Dies ist die bekannte 1. oder GERMANISCHE LAUTVERSCHIEBUNG (Grimm's law!). Jeder kennt das Phänomen, der schon einmal das Fach "DIACHRONIE" belegt hat.
a) die stimmlosen Verschlußlaute wurden zu Reibelauten: p, t, k zu f, th , h (chi)
Beispiele:
lat. pellis=Fell
lat. tres=engl. three
lat. cor=Herz
b) die stimmhaften Verschlußlaute wurden zu stimmlosen: b, d, g zu p, t, k
Beispiele:
lat. labium=Lippe
griech. deka=engl. ten
lat. genu=Knie
c) die behauchten und stimmhaften Verschlußlaute (Aspiranten) wurden zu stimmhaften: bh (griech. ph; lat. f), dh (griech. th), gh (griech. kh; lat. h) zu b, d, g
Beispiele:
griech. phegos; lat. fagus=Buche
griech. thyra=engl. door
griech. khortos; lat hortos=Garten
ad 2) Der idg. freie Akzent lagert sich auf die Stammsilbe, "den eigentlichen Sinnträger des Wortes" (E. Nack). Dies steht in Zusammenhang mit der Verminderung der Wortausgänge.
Beispiele:
lat. solàrium=S`öller
lat. fenèstra=Fènster
Im Germanischen haben wir einen "expiratorischen" Akzent (verschiedene Tonstärke), wogegen wir im Indogermanischen den sog. "musikalischen" Akzent haben (verschiedene Tonhöhe).
ad 1 a) Die aus den idg. Tenues (stimmlose Verschlußlaute) entstandenen Spiranten (Reibelaute) f, th, ch werden zu den Medien (stimmhafte Verschlußlaute) b,d,g, wenn ihnen im Indogermanischen keine betonte Silbe vorausging (Vernersches Gesetz, grammatischer Wechsel).
Beispiel: griech. patèr=got. fàdar
ad 3) a)Vernachlässigung der Wortausgänge (Kasus-, Personalendungen)
b) nur noch 4 Kasus beim Substantiv (reicht doch!)
c) der Dual (Zweizahl) fällt weg: nur noch Singular und Plural
Konsequenz aus 3) a): Einsatz des Artikels
Beispiel für den Verfall der Personalendungen: lat. legimus=wir lesen
lat. legunt=sie lesen
d) Vereinfachung des Tempussystems: das Germanische beschränkt sich weitgehend auf Präsens und
Praeteritum
e) analytische Bildungsweise gegenüber synthetischer im Idg.:
lat. laudavi=ich habe gelobt
f) Verlust des Medium
g) Optativ und Konjunktiv verschmelzen
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Die Verminderung des "verschwenderischen Formenreichtums" im Idg. geschah, so E. Nack, um "zu sparen und zu vereinfachen und damit die haushälterisch verknappte Sprache auf den praktischen Gebrauch des täglichen Verkehrs auszurichten." (S. 51)
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Eine witzige Erklärung der 1. Lautverschiebung gab seinerzeit Akad.O. Dr. phil. habil. B. Haage (Uni Mannheim) zum besten:
Als die Germanen bei ihrer Südwanderung über die Mittelgebirge kamen, haben sie mächtig "geschnauft", da mit Sack und Pack beladen.
Da könnte einer gesagt haben: "Ich hab' einige "Pund" (sic!) auf dem Rücken/ oder zuviel mitgenommen."
Oder: "Die Ausrüstung wiegt aber einige "Pund" (sic!)!"
Wenn man aber außer Atem ist, dann wird aus "Pund" auf einmal "Pfund" (Lautgesetz: p...ph...ph...Pfund).
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Ergo: Ohne Völkerwanderung und Mittelgebirge keine 1. Lautverschiebung. Glaubt mit, ich war selbst dabei!
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EREC
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