"LIBERATOR HAUD DUBIE GERMANIAE": NACH H. KESTING
(C. TACITUS: AB EXCESSU DIVI AUGUSTI II, 88)
Ein großes Lob des römischen Historikers, der auch den tapferen Gegner würdigte!
ARMINIUS, der Befreier Germaniens, war seiner Zeit weit voraus. Er erkannte, daß kleine und schwache Völker dem Imperium nicht die Stirn bieten konnten. Nur größeren Stammesverbänden wäre dies evtl. möglich. Auch taktisch war er ein Vordenker. So ersetzte er die germanische Keilformation durch eine bewegliche Kampfesweise, die sich dem Gelände anpaßte. Sein strategisches Denken zeigte sich darin, daß er klug den Ort des Kampfes auswählte.
H. KESTING schreibt:
"Bewundernswert ist auch militärisch: die alles bedenkende Vorausschau in der Planung und die Klugheit in der Durchführung der Feldzüge gegen Varus wie gegen Germanicus, politisch: das weise Maßhalten nach dem Siege."
So ging er in weiser Voraussicht nicht über den Rhein:
"Er beschränkte sich auf das Mögliche und Erreichbare."
Weitblick bewies er auch darin, daß er MARBOD, den König der MARKOMANNEN, zum gemeinsamen Handeln aufforderte, doch dieser zog es vor zu kneifen.
ARMINIUS, der dreimal soviel wert war wie ein MARBOD, kämpfte allein weiter. KESTING nennt verschiedene Faktoren, die für die Bedeutung einer historischen Persönlichkeit relevant sind: "der auf Persönlichkeit und CHARAKTERWERT beruhende Erfolg, die Stärke des Gegners, die Größe des Opfers, das für den Erfolg gebracht werden muß, die Folgen der Tat und ihre Weiterwirkungen. ALLE VIER VORAUSSETZUNGEN SIND FÜR ARMINIUS GEGEBEN."
Und er fährt fort:
"Ihm gegenüber stand das gewaltige Machtpotential des römischen Imperiums..."
Doch ARMINIUS gelang das fast Unmögliche:
"Durch die unerwartete und völlig überraschende Vernichtung eines kampfstarken römischen Eliteheeres von etwa 30 000 Mann wurde das weltbeherrschende Imperium in seinen Grundfesten erschüttert. Der Plan des AUGUSTUS, das Reich bis zur Elbe zu erweitern, war durch diese Niederlage gescheitert. Rom mußte sich mit der Rheingrenze begnügen und dort eine durch 50 Kastelle gesicherte Defensivlinie beziehen. Raum und Volk zwischen Rhein und Elbe blieben germanisch. Durch seinen Sieg hat ARMINIUS Germanien vor dem Schicksal Galliens und Spaniens, der politischen und kulturellen Fremdherrschaft durch Rom, bewahrt. Daß wir nicht Romanen geworden, sondern Germanen geblieben sind, verdanken wir den erfolgreichen Abwehrkämpfen gegen die römische Invasion."
So ist es! Doch kein Sieg ohne Opfer:
"Für dieses Ziel mußte ARMINIUS die größten menschlichen Opfer tragen. Seit der Gefangennahme von Frau und Sohn durch den Gegner hatte er die Geborgenheit in Haus und Familie verloren; sein politisches und militärisches Wirken war durch eine ständige seelische Belastung überschattet und beeinträchtigt."
ARMINIUS tat also das, wozu die meisten aus Feigheit und Trägheit nicht bereit sind: Er kämpfte für seine Ziele und Ideale und, was fast noch wichtiger ist, er war entschlossen, dies auch unter größten Opfern zu vollbringen.
Irgendwelche Vaterlandsverräter haben dennoch die Niedertracht besessen zu fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Germanien romanisiert worden wäre. Ich sage: NIEMALS! Ins Moor mit denen! (Ich stelle mir mit Grausen Germanen vor, die französische Zigaretten rauchen und Croissants essen.)
Wir wären dann zweifellos genauso dekadent wie die Römer geworden!
"Die Erhaltung der im Volke gewachsenen Kulturwerte ist wesentlich ARMINIUS zu verdanken, weil er durch die Vereitelung der Romanisierung die Voraussetzung dafür geschaffen hat."
Doch im Jahre 21 n. Chr. traf den einsamen Kämpfer die Ungunst des Schicksals in Form seiner "krummen", verräterischen Verwandtschaft, die für alle Zeiten verdammt sei:
"Da seine Landsleute sein Wirken nicht verstanden, wurde er i. J. 21, zwölf Jahre nach der Varusschlacht von den Verwandten seiner Frau ermordet. Die Cherusker haben für diese schmachvolle Tat an ihrem Befreier schwer büßen müssen: durch Parteistreitigkeiten und Bruderkriege zerrissen, verfielen sie dem Nieder-und Untergang."
Alle vernünftigen Forscher sind sich darüber einig, daß ARMINIUS Größe und Genialität besaß. Der zeitgenössische Historiker VELLEIUS PATERCULUS sowie C. TACITUS zollen ihm höchstes Lob (und das Lob vom Gegner ist immer besonders viel wert!). TACITUS würdigt ihn wie folgt:
"ohne Zweifel der Befreier Germaniens. Er hat das römische Weltreich nicht in seinen Anfängen wie andere Führer und Völker angegriffen, sondern in seiner höchsten Blüte, in Schlachten mit wechselndem Erfolg, im Gesamtkrieg unbesiegt. Sein Leben währte 37 Jahre, davon 12 als Führer seines Volkes; noch heute wird er bei den germanischen Stämmen besungen."
("...liberator haud dubie Germaniae et qui non primordia populi Romani, sicut alii reges ducesque, sed florentissimum imperium lacessierit, proeliis ambiguus, bello non victus. Septem et triginta annos vitae, duodecim potentiae explevit, caniturque adhuc barbaras apud gentes...")
TACITUS: AB EXCESSU DIVI AUGUSTI II, 88.
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ERNST BICKEL, Altphilologe, bringt es in seiner "GESCHICHTE DER RÖMISCHEN LITERATUR" auf den Punkt:
"Der Cheruskerfürst hat zur Zeit des AUGUSTUS in einer der Sternenstunden der Weltgeschichte dem Germanentum den Weg zur selbständigen Prägung eigenen Kulturlebens offengehalten."
Doch bald verhallte sein Ruhm. Das ganze Mittelalter wußte fast nichts von ihm:
"Die Kunde von ARMINS Größe und Werk ist im Mittelalter verschollen. Erst mit der Wiederentdeckung der antiken Schriftsteller, besonders nach der Auffindung der 'Germania' im Jahre 1470 und der ersten 5 Bücher der Annalen des Tacitus im Kloster CORVEY im Jahre 1505-sie sind erst zehn Jahre später im Geamtwerk des Tacitus veröffentlicht worden-haben ihn die Humanisten der Vergessenheit entrissen. Insbesondere beschäftigt sich mit Gestalt und Tat des Arminius der Kreis um LUTHER, der in seinen Tischreden (V 415) von ihm sagt: 'Wenn ich ein Poet wer, so wolt ich den celebrieren. Ich hab in von hertzen lib.'"
KLOPSTOCK widmete dem ARMINIUS eine Trilogie, HEINRICH VON KLEIST und CHRISTIAN DIETRICH GRABBE schrieben Dramen. GRABBE schuf "in den letzten Jahren seines unglücklichen Lebens die stark in seiner Heimat wurzelnde Hermannsschlacht". ERNST VON BANDEL machte sich auf den Weg zum "tannenumrauschten Teutoburger Wald". Dort erbaute er auf der Höhe der GROTENBURG ein Denkmal. Das war 1838. Am 1. Mai 1875 lieferte die Firma KRUPP das Schwert dazu (11 Zentner, 7 m lang!). Die Inschrift lautet:
"Deutsche Einigkeit meine Stärke.
Meine Stärke Deutschlands Macht."
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NACH: DR. HERMANN KESTING: DER BEFREIER ARMINIUS-IM LICHTE DER GESCHICHTLICHEN QUELLEN, Detmold 1972, S. 24-27.
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Weitere Lit.:
E. BICKEL: Die individuelle Größe in der Persönlichkeit des Arminius, a.a.O. S. 80 ff. und H. E. STIER: Westfälische Forschungen 1938 S. 287 ff.
E. SANDER: Arminius und die römische Kultur, in: "Arminius und die Varusschlacht" S. 17-22.
Oberst STUART-WORTLEY: Arminius the Great, in: British Zone Review Nr. 16.
Für die jungen ARMINIUS-Fans:
LUDWIG RENN: Herniu, Kinderbuch-Verlag Ostberlin 1970
ders.: Herniu und Armin
(beide sehr lesenswert; in ihnen werden "die geschichtlich verbürgten Kulturzustände bei den Römern und Germanen im 1. Jahrhundert geschildert und gegenübergestellt".
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Ende
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BEST WISHES- ARMINIUS
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