Murmillo-Archiv

Mittwoch, 18. September 2013

LUCIUS ANNAEUS SENECA: EPISTULAE MORALES AD LUCILIUM: EP. 28 ÜBER DEN WECHSEL DES AUFENTHALTSORTES (1-2)
(Titel zitiert nach der Kröner-Ausgabe)

Hoc tibi soli (Daß Dir dies alleine) putas (glaubst Du) accidisse (passiert sei;zugestoßen sei; widerfahren sei; begegnet sei; Kröner) et admiraris (und Du wunderst Dich) quasi rem novam (gleichsam (sozusagen) über eine "neue" Sache; neuartige Sache; etwas Neues; Kröner; als ob es etwas Neues sei), quod peregrinatione tam longa (daß Du durch eine so lange Reise) et tot locorum varietatibus (und so viele Veränderungen der Orte) non discussisti (nicht vertrieben hast) tristitiam gravitatemque mentis (die Traurigkeit und die Schwere=Schwermut des Geistes; der Seele)? Animum debes mutare (Deinen Geist; Sinn; Dein Inneres mußt Du ändern), non caelum (nicht den "Himmel"=die Weltgegend). Licet (Es mag sein/  magst Du auch) traieceris mare (daß Du das Meer überfahren; überquert hast/ das Meer durchqueren), licet (mag es auch so sein; sich so verhalten), ut ait Vergilius noster (wie unser Vergil sagt), terraeque urbesque recedant (daß sowohl Länder als auch Städte entschwinden; Kröner; Stowasser), sequentur te (es werden dich verfolgen), quocumque perveneris (wohin auch immer Du gelangt sein wirst; gelangst), vitia (Deine Fehler; Deine charakterlichen Defekte). Hoc idem querenti cuidam (Einem (gewissen) über dasselbe Klagenden; jemandem, der über ebendasselbe klagte) Socrates ait (sagt(e)) Sokrates), 'quid miraris (was wunderst du dich) nihil tibi peregrinationes prodesse (daß dir die Reisen nichts nützen; bringen), cum (weil) te circumferas (du dich mit herumträgst; mitnimmst; mit herumschleppst; Kröner)? premit te (es bedrückt dich) eadem causa  (dieselbe Sache; derselbe Grund; Umstand; Kröner), quae expulit (die dich (in die Welt) hinaustrieb; forttrieb; Kröner).' Quid (Was) terrarum iuvare novitas potest (kann die Neuheit der Länder nützen)? quid (was) cognitio urbium (die Kenntnis der Städte) aut locorum (oder der Orte)? in irritum cedit (erfolglos bleibt; es schlägt fehl; mißlingt) ista iactatio (dieser Ortswechsel; diese Unruhe; dieses Umhertreiben; Kröner). Quaeris (Du fragst) quare (warum) te fuga ista non adiuvet (Dir diese Flucht nicht(s) hilft)? Onus animi (Die Last der Seele) deponendum est (muß abgelegt werden): non ante (vorher nicht; nicht eher) tibi ullus placebit locus (wird Dir irgendein Ort gefallen).
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Das VERGILZITAT ist aus der AENEIS, lib. III, 71 (wer es nachschlagen möchte).
Wer eine Reise unternimmt, nur um seine Probleme zu lösen, wird wie Lucilius keinen Erfolg haben. Die Probleme muß man erst in sich selber regeln. Meistens scheitert man schon daran, da es für die grundlegenden Probleme dieser Welt sowieso keine Lösungen gibt. Der ständige Wechsel des Aufenthaltsortes zeigt a) nur die eigene Zerrissenheit und trägt b) zu weiterer Unruhe bei, die der "STOICUS" ja tunlichst vermeiden will, da sie der "ATARAXIA" abträglich ist.
Also: In der Weltgeschichte "rumgondeln", um "zu sich selber zu finden" führt zu nichts (in irritum cedit) und ist (nach meinem Dafürhalten) was für Naivlinge und Spinner.
Ergo: Immer schön im "Ländle" bleiben oder wie meine Oma (selig) immer sagte: Bleib' im Land und nähr' dich redlich!
Im Mittelalter, bei den "monks", war die sog. "STABILITAS LOCI" eine der obersten Tugenden!
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R.

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