DIACHRONIE 1: BETRACHTUNG DER GESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG EINER SPRACHE
Während meines Germanistik-und Lateinstudiums an der Uni Mannheim /Schloß (1980-1991) war ein Kurs DIACHRONIE Pflicht, den ich bei AOR Dr. B. Haage absolvierte. Dr. Haage war ein Dozent, an den ich mich noch heute gerne erinnere, was ich leider nicht von vielen sagen kann. Ein echter Pädagog' und einer, der wahrhaft hinter der Sache stand.
Damals bekam jeder einen kleinen Stapel Fotokopien ausgeteilt, die sozusagen das Minimalwissen zum Thema "Diachronie" enthielten. Der Autor davon ist mir unbekannt, vielleicht ein fleißiger "Hiwi" (hilfswiss. Kraft, so eine Art Hilssheriff in Sachen Wissenschaft; urspr. Hilfswilliger).
Damit die Arbeit des Mannes bzw. der Frau nicht ganz umsonst war, möchte ich nun Auszüge davon wiedergeben.
Voraussetzung der diachronischen Betrachtung: der ständige Sprachwandel
FRANZ BOPP: Nachweis, daß SANSKRIT mit einer Anzahl europäischer und asiatischer Sprachen verwandt ist.
INDOGERMANISCH: 2 Gruppen
a) KENTUM-SPRACHEN: die vorderen Gaumenlaute (PALATALE) bleiben als k-Laute erhalten; Kennwort KENTUM=100
b) SATEM-Sprachen: die PALATALE werden zu Zischlauten; Kennwort SATEM=100
ad a) Griechisch, Italisch, Keltisch, Hethitisch, GERMANISCH u.a.
ad b) Indisch, Iranisch, Baltisch, Slawisch u.a.
Erklärung der Sprachverwandtschaft: umstritten: Stammbaumtheorie-Wellentheorie u.a.
GERMANISCH: eine allen Germanen gemeinsame Sprache läßt sich nicht nachweisen; daher: Erschließung durch Vergleich der vorliegenden germ. Dialekte
Unterschiede gegenüber den übrigen Sprachen:
a) Festlegung des im Indogerm. freien Wortakzentes auf die erste Silbe
b) 1. bzw. germ. Lautverschiebung (LV)
c) die indogerm. (idg.) sonantischen Liquide und Nasale (r, l, m, n; mit untergeschriebenem "o" werden germ. zu "ur, ul, um, un"
d) Idg. kurzes a/o wird zu germ. kurzem a; langes a/o zu langem o
Bsp.e:
lat. ager-Gotisch (got.) akrs
Altindisch (AI) brathar-got. brothar
lat. octo-got. ahto
lat. flos-got. bloma
Dazu: H. KRAHE: Historische Laut-und Formenlehre des Gotischen, Heidelberg 1967.
DIALEKTGRUPPEN IM GERMANISCHEN:
a) NORDGERMANISCH:
ALTNORDISCH (AN): 700-1500
b) OSTGERMANISCH:
GOTISCH (WULFILA-BIBEL, RUNEN)
Ostgermanen sind z.B. Goten, Gepiden, Vandalen, Burgunder, Heruler, Rugier, Skiren.
(enge Verwandtschaft des Nord-und Ostgerm., daher auch Einteilung in Nord-und Südgermanen)
c) WESTGERMANISCH:
c1) NORDSEEGERMANISCH (z.B. die Ingwaonen des TACITUS und PLINIUS): Friesen, Angelsachsen, Niederfranken, Sachsen
c2) WESER-RHEIN-GERMANISCH (die Istwäonen des TACITUS und die Isträonen des PLINIUS): Franken zwischen Weser und Rhein
c3) ELBGERMANISCH (die Ermionen des TACITUS und PLINIUS): Thüringer, Baiern, Alemannen, Langobarden
Wichtigstes Kennzeichen: WESTGERMANISCHE KONSONANTENVERDOPPELUNG
Bsp: sitja-Angelsächsisch (AGS): sittan
WESTGERMANISCH:
a) AGS-Altfriesisch-Altniederdeutsch (Altniederfränk. und Altsächsisch)
b) ALTHOCHDEUSCH (südlich der sog. BENRATHER-LINIE):
Mitteldt: Ost-, Rhein-, Mittelfränkisch
Oberdt: Bair., Alemann., Teile des Fränk.
ad GOTOS: aus GUTLAND (Schweden), wandern vor Christi Geburt an die Weichsel, dann ans schwarze Meer (Mitte 2. Jh.)
a) AUSTROGOTI: erobern unter THEODERICH (DIETRICH VON BERN) Italien; 555 durch Ostrom vernichtet; wichtiges Dokument: CODEX ARGENTEUS
b) VISIGOTI: diese ziehen infolge des Hunnensturmes unter ALARICH nach Italien, dann nach Südfrankreich (Tolosanisches Reich), Ausbreitung nach Spanien (5. Jh.)
c) KRIMGOTEN: 1554 werden Reste einer germ. Sprache auf der Krim (da wo's den guten Sekt gibt) entdeckt (86 Wörter)
(im 9. Jh. wird in Tomi/Dobrudscha noch got. gepredigt!)
WULFILA: etwa 311-382/3 ("Wölfchen"), Bischof der arianischen Goten, die er wegen der Christenverfolgung unter ATHANERICH (war bestimmt ein netter Mann) nach Mösien führt
um 369: BIBELÜBERSETZUNG ins GOTISCHE (außer Buch der Könige, da zu kriegerisch; da sieht man einmal wieder, wozu einen das Christentum macht; AdV.)
(Wulfila benutzte die SEPTUAGINTA, vielleicht auch die VETUS LATINA)
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Educator vester
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