Die Phönizier sind ein antikes semitisches Volk, das ungefähr im heutigen Libanon beheimatet war (Region Levante). Dort entstanden berühmte Stadtstaaten wie Sidon und Tyros.
Die Phönizier weiteten ab ca. 1000 v. Chr. durch verstärkten Handel ihren Einfluss über das ganze Mittelmeer aus und bildeten vor allem an der südlichen und westlichen Mittelmeerküste Kolonien. In Nordafrika entstand die berühmte Kolonie Karthago (wahrscheinlich "Neues Tyros"). Während die Mutterstädte ab ca. 700 v. Chr. immer mehr Schwierigkeiten hatten, sich gegen die mächtigen Nachbarreiche zu behaupten, konnte die starke Kolonie Karthago noch bis ca. 200 den Höhepunkt ihrer Macht geniessen.
GESCHICHTE
Die Phönizier sind schon seit dem 2. Jtd. v. Chr. (Bronzezeit) in der Levante nachweisbar, hatten aber ihre Blütezeit in ihrem Ursprungsgebiet in der 1. Hälfte des 1. Jtd. v. Chr. Die Ägypter nannten Phönizien Fnchw (Fenchu) oder t3w(i) Fnchw (tau(i) Fenchu), was wohl Länder der Baumfäller heisst.
Es ist sehr interessant, dass sie die chaotische Phase zwischen 1200 und 1000 v. Chr ("Zeitenwandel"), in der viele Reiche untergingen, gut überstanden haben und danach ihren Einfluss sogar noch ausbauen konnten.
Südlich der phönizischen Städte entstanden die Städte der Philister (Gaza, Aschkalon, Aschdod, Gat, Ekron). Die Phönizier versuchten, mit ihren Nachbarstaaten Verträge zu schliessen, darunter auch Israel und nach dessen Teilung Israel (Nordreich) und Juda (Südreich).
Tyros hatte damals unter den phönizischen Städten eine Vormachtstellung. Von hier aus wurde auch die Kolonie Karthago im heutigen Tunesien gegründet, der es gelang, Hinterland zu erobern und damit einen Flächenstaat zu gründen. Danach dehnte Karthago seinen Einfluss auf Sizilien, Sardinien und Teile Spaniens aus und wurde hier zum Gegner des aufstrebenden Roms. Die Römer nannten die phönizischen Karthager Punier.
Ab dem 8./7. Jhd. wurden die Phönizier in ihrem Mutterland immer mehr von Assyrern, Babyloniern und später Persern bedrängt. 701 v. Chr. eroberte das Neuassyrische Reich unter Sanherib die phönizischen Städte bis auf Tyros. 586 v. Chr. wurden sie vom Neubabylonischen Reich abhängig. Wieder konnte Tyros lange Widerstand leisten, unterlag aber 573 v. Chr. Um 520 v. Chr. wurden die Phönizier persische Vasallen und bildeten einen grossen Teil der persischen Kriegsflotte.
Nach der Niederlage des Perserreiches gegen Alexander (den Grossen) gerieten die phönizischen Städte unter Kontrolle der hellenistischen Mächte. Das widerspenstige Tyros wurde schon 332 v. Chr. von Alexander zerstört.
Die einstige Kolonie Karthago legte dagegen länger. Das von dort aus errichtete Reich unterlag erst nach mehreren Kriegen dem expandierenden Rom und wurde im 3. Punischen Krieg 146 v. Chr. völlig zerstört. Unter Cäsar wurde die Stadt aber neu gegründet.
WIRTSCHAFT
Die Phönizier hatten eine weit entwickelte Handwerkskunst und waren besonders auf das Metallhandwerk spezialisiert. Ein wichtiges Handelsgut war auch das Zederholz aus dem Libanongebirge, das heute noch ein wichtiges Symbol für die Region ist. So standen sie im Austausch mit Ägyptern, Hethitern und später den Reichen, die sie bedrängen sollten. Ein besonderes Handelsnetz hatten die Phönizier mit den Griechen, die auch viele Kolonialstädte gegründet haben, ihren Schwerpunkt allerdings etwas nördlicher hatten.
Die Phönizier operierten aber auch bis in das Zweistromland hinein.
Die Phönizier bauten ihre wirtschaftliche Stärke also zunächst auf Handwerkskunst und einheimischen Werkstoffen auf, betrieben dann damit Handel und entwickelten schliesslich eine Situation, in der der Handel fast zum Selbstläufer wurde.
Phönizischer Zederntransport nach Mesopotamien (Darstellung 8. Jhd.) |
Holz
Der erwähnte Holzhandel basierte im Kern auf der Zeder, deren dicke Stämme solides und leicht zu bearbeitendes Holz lieferten. Die Zeder symbolisierte den Aufschwung der phönizischen Ursprungsregion, aber auch den Abstieg durch nicht nachhaltige Nutzung. Heute sind von den ursprünglichen Zedernforsten übrigens nur noch Restbestände übrig.
Die Zeder war besonders im Schiffsbau gefragt, weil sich das Zedernholz nicht beim Trocknen verwindet. Das Zedernholz ging schon früh in den Bau ägyptischer Flotten, aber auch die eigenen Handelsflotten der, die den Reichtum der phönizischen Siedlungen sicherten. Bald war das Holz bei vielen Flotten begehrt.
Eine weitere wichtige Anwendung war der Hausbau bis hin zu Palästen und Tempeln. Frühe Quellen belegen die Lieferung phönizischer Zedern um 2750 v. Chr. an Pharao Snofru (aus Byblos) und 2400 v. Chr. an Fürst Gudea in Lagasch. Zedern wurden genutzt für ägyptische Tempelanlagen, aber auch für Särge, für griechische Tempelanlagen wie den Artemistempel in Ephesos, für israelische Tempel und Paläste, allen voran die von den Königen David und Salomo, aber auch für den Audienzsaal in Persepolis, der dann nach der Stürmung durch Alexanders Truppen in Flammen aufging. Alexander selbst hatte auf seinem Feldzug bereits Mühe, noch geeignete Zedern für sein Kriegsunternehmen zu finden und musste dann im Anti-Libanon suchen. Bis heute setzte sich dieser Rückgang fort.
Das Harz der Zeder wurde ebenso umfangreich verwendet, z. B. für die Einbalsamierung von Mumien.
Purpur
Eine wichtige Handelsware war auch der Purpur. Dieser Farbstoff zwischen Rot und Violett wurde aus der Purpurschnecke gewonnen. Darunter fallen eigentlich mehrere Arten aus der Familie der Stachelschnecken (lat. Murex, Muricidae). Der von Drüsen der Schnecken abgesonderte Farbstoff erhält erst durch Sonneneinstrahlung seine bekannte Farbe. Für das Einfärben von Gewändern sind viele Purpurschnecken erforderlich, weswegen die Farbe teuer war und als besonders edel galt.
Phönizische Stoffe wurden besonders in Griechenland und später in Rom geschätzt.
Glas
Die Herstellung von Glas wurde von den Phöniziern nicht erfunden (sie ist ägyptisch), aber als Kunstfertigkeit und Massenherstellung deutlich verbessert. Zentren waren v. a. Sidon und Tyros.
Die Glasindustrie der Phönizier stellte als erste fast völlig durchsichtiges Glas her und erfand schliesslich die Technik des Glasblasens.
Mit so einem Wirtschaftspotential und einer hohen Handelskapazität rankten sich natürlich viele Legenden um die Leistungen der phönizischen Seefahrer. So sollen die Phönizier weit um die afrikanische Küste gefahren sein und dabei bis zu Punkten vorgedrungen sein, an denen die Mittagssonne im Norden stand. Sie waren also, wenn diese Erzählungen stimmen, südlich des Äquators. Ob dabei Afrika ganz umfahren wurde, ist nicht sicher. Sicher sind auf jedenfall phönizische Münzfunde auf den Azoren.
Im Norden soll die Ausbreitung der Phönizier bis Abul in Portugal gegangen sein. Ein Handel mit Britannien (Cornwall) wurde behauptet, ist aber nicht sicher.
Manchmal wird sogar behauptet, die Phönizier hätten bereits den Atlantik überquert, was aber als sehr unwahrscheinlich gilt.
RELIGION
Die in der Levante vorherrschende Religion hatte El als höchsten Gott. Weitere wichtige Gottheiten waren die Göttin Astarte (Himmel, Mond, Liebe, Krieg, Seefahrt; Ishtar?) und der Gott Adonis (Vegetation).
Daneben wurden viele Stadtgottheiten verehrt. Hierher gehörten der Sonnengott Baal, der bis heute aus der Bibel bekannt ist, aber auch der Heilgott Eshmun.
In phönizischen Tempek kam es häufig zu Opferungen. Der Opferkult basierte meist auf Schafen (Lämmer) oder Rindern. Manchmal wurden auch andere Tierarten wie Esel oder Hirsche verwendet. Es kam auch zu Opferungen einzelner Körperteile.
Unsicher ist, ob es auch Menschenopfer und speziell Kinderopfer gab. Aus Karthago wird das behauptet und es wurden auch einige Knochen gefunden, die Kindern zugeordnet werden konnten. Trotzdem ist auch dann noch nicht klar, ob es sich um Lebendopfer gehandelt hat.
Es kann sein, dass die Berichte von Menschenopfer stimmen, es kann sich aber auch um römische oder sonstige Propaganda gehandelt haben.
QUELLENLAGE
Von den Phöniziern liegen uns selbst keine Schriften vor, auch wenn wir über einige Sprachreste verfügen.
So sind wir auf Quellen der Nachbarvölker angewiesen, die den Phöniziern nicht immer wohlgesinnt waren.
Über die Phönizier kann man schon in den Homerischen Epen lesen, aber auch in der Bibel, bei den Ägyptern und in der griechischen Literatur. Hier ist besonders Herodot zu nennen.
Aus römischer Zeit haben wir einige Quellen, darunter sind besonders kleine Ausschnitte aus den Komödien des Plautus interessant. Plautus hat als Komödiendichter eine volkstümliche Sprache benutzt und Kontakte zu fremden Ethnien thematisiert. So haben wir aus einer seiner Komödien eines der wenigen Zitate aus (neu-)phönizischer, nämlich punischer Sprache. Details über die Herstellung der Purpurschnecken kann man bei Plinius dem Älteren nachlesen.
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