Murmillo-Archiv

Montag, 29. Oktober 2018

SENECA: DE VITA BEATA (3)

9) Einwand: man huldige doch nur der Tugend, weil man sich Lust davon verspreche; mag sein, doch sie sollte nicht wegen dieser erstrebt werden; die Tugend gewährt Lust nicht schlechthin, sondern auch; Vergleich mit Blumen auf Acker; Lust=weder Lohn noch Grund der T.; höchstes Gut=Urteilsvermögen und Verstand; das reicht, denn es gibt nichts weiter über das Ganze wie auch über das Ende hinaus; Frage, zu welchem Zweck man die Tugend erstrebe=falsch, da man nach etwas frage, was über das Ende hinausgehe (kapiert?); man soll daher von der T. nur sie selbst verlangen; denn es gebe nichts Besseres als sie; sie ist ihr eigner Preis; höchstes Gut=Unerschütterlichkeit, Umsicht, Erhabenheit etc.; was soll man da Höheres fordern?
10) Fressen ist nicht Lebensglück; gerade die Stumpfsinnigsten leben dem Vergnügen; Laster findet sich oft bei der Lust; Negativbeispiele: Übermut, Selbstüberschätzung, blinde Verliebtheit in das Eigene, sich über Nichtigkeiten freuen, Albernheiten, Trägheit, Schlaffheit, Schmähsucht; dagegen T.: ihr macht nicht der Genuß Freude, sondern dessen Mäßigung; Minderung des Einflusses der Lüste; die L. ist überhaupt kein Gut; er tue nichts der Lust wegen (die meisten aber alles; Anm. d. Verf.).
11) Lust als Prinzip=falsch; ein Weiser hat nichts über sich (nur meine Schüler haben mich über sich, aber die sind ja auch nicht weise); er hat schon gar nicht die Lust über sich; wie will ein von Lust Beherrschter die Bedrohungen des Lebens aushalten?-wenn er sich schon von so einem weichlichen Gegener wie der L. beherrschen läßt; wie soll die T. die L. beherrschen, wenn sie ihr folgt?-das wäre eine Umkehrung der Stellung beider; ist das dann überhaupt noch T.?-Beispiele für Dekadenz: Apicius u.a.; denen ist gar nicht so wohl, denn sie erfreuen sich an etwas, was kein Gut ist.
12) Zwiespalt solcher Menschen, ihre Unruhe, ihr Druck, die Reue etc. (heiterer Wahnsinn und lachende Tollheit); dagegen der Weise: maßvoll in der L.; man soll L. und T. nicht verbinden; es gibt Leute, die ihre Laster für Weisheit ausgeben; sie verbergen ihre Genußsucht auch noch unter dem Philosophenmantel; das alles habe nichts mit EPIKUR zu tun; das einzige Gut, was solche Leute noch hatten, die Scheu vor der Sünde, das verlieren sie auch noch; ja, sie sind noch stolz darauf (so mies zu sein, Anm. d. Verf.).
13) dennoch: EPIKURS Lehre=richtig; da bei ihm die L. maßvoll; diese solle der Natur gehorchen; der Natur genügt nur wenig L.; EPIKUR werde zu Unrecht diffamiert; natürliche und grenzenlose L.; Übermaß: gefährlich; T. kennt kein Übermaß, da nichts besser als sie; L. nur Begleiter der T., die führt.
14) Hat die L. den Vorrang, geht die T. verloren; der Mangel an L. quält solche Leute; negative Folgen der blinden Vernarrtheit in irgendwas; wer Schlechtes anstrebt, für den ist es schlecht, sein Ziel zu erreichen; Vergleich mit dem Einfangen wilder Tiere; je mehr Aufregungen man hat, desto mehr wird man beherrscht; wer der L. nachjagt, vernachlässigt alles andere; er gibt seine Freiheit auf; er erlangt nicht L., sondern verkauft sich an sie.
15) Warum nicht Vereinigung von L. und T.?-weil sie dadurch ihre Reinheit einbüßen würde; und: was Teil des Sittlichen ist, muß selber sittlich sein; vereinigt man beide, schwächte man die T.; sie würde dann sogar vom Schicksal abhängen; das höchste Gut muß sich so erheben, daß es nicht herabgezogen werden kann; das kann nur die T.; Beispiele von Torheit: sivh zwingen lassen, über Verzicht klagen, sich verwundern, unwillig sein; denn: nach dem unabänderlichen Weltenplan müssen wir alles Leiden auf uns nehemn; wir müssen uns mit der Sterblichkeit abfinden; dürfen uns nicht von dem beirren lassen, was nicht in unserer Macht steht.
16) T.=Glück (für T. sollte man besser das Rechte setzen; Anm. d. Verf.); nichts ist ein Gut, das nicht T. zur Ursache hat; man soll unerschütterlich seinen Platz behaupten; das Gute reicht zum glückseligen Leben aus; die einen sind dem Irdischen verhaftet; der zu Höherem fortschreitet, bewegt sich aufwärts; er hat nur eine lose kette; er ist so gurt wie frei;
17) Enwand, warum man in Worten tapferer sei als im Leben?-warum habe man mehr, als man sich merken könne?-Seneca entgegnet: ER SEI KEIN WEISER!-er gleiche nicht den Besten, sondern wolle nur besser als die Schlechten sein; er sage all dies nicht in seinem Namen, sondern im Namen derer, die fortgeschritten sind.
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